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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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so hat der Matrose seinen Klabautermann, seinen Windstillenseegeist, seine Gespenster-, Nebel- und Feuerschiffe, seinen fliegenden Holländer, seinen schwarzen Piraten, deren Zahl um viele gespenstische Capacitäten vermehrt werden könnte. Der Nordländer hat seinen »Stromgeist«, der Westländer seinen » ghost of the river «, der Binnenländer seine Wassernixen, und wenn heut’ auch Jedermann die Sage von der Wirklichkeit wohl zu unterscheiden weiß, so sind diese Sagen doch unumstößliche Beweise früherer Kriterien.
    Aber nicht blos im Wasser, sondern auch zu Lande auf den Wegen treibt allerlei Spuk sein Wesen. Besonders sind es die Kreuzwege, welche in Verruf gerathen sind, weil auf ihnen zu gewissen Zeiten heilloses Teufelsgezücht versammelt ist oder man auf ihnen Bannungen und Citationen vornehmen kann, wie die schwarze Magie sie ihren leichtgläubigen Jüngern lehrt oder vielmehr weißmacht. Fast jede Stadt, jedes Dorf hat in seiner Umgebung irgend einen Weg, auf welchem es »nicht richtig ist«, auf welchem es »umgeht«, und dergleichen dumme Dinge wurzeln viel tiefer und fester in dem Hirne des Volkes, als man meinen sollte.
    Ein anderer, aber doch auch ein Spuk war der, welcher auf allen Wegen und Stegen und bei hellem, lichtem Tage unter der Devise: »Entschuldigen Se, een armer Reesender« seine unzähligen Anfälle auf Männlein und Weiblein machte. Gegen diese Erscheinungen half kein »Alle guten Geister loben ihren Meister«, half kein Kreuzschlagen, kein Paternosterseufzen, sondern die einzige Rettung bestand in einem Griffe in die Tasche, dessen klingender Erfolg der Herr Urian dann kratzfußend mit einem »‘schamster Diener« oder »Vergelts Gott zwanzig Tausendmal« quittirte.
    Man sieht, diese Art Wesen fürchtete sich nicht, Gott im Munde zu führen, und aus einer Begegnung mit ihnen war also keine Gefahr für das Heil der Seele zu befürchten, vielmehr war ihre leibliche, ihre körperliche Ausstattung gar oft dazu angethan, Gefühle zu erwecken, welche ein Zeichen der wahren Frömmigkeit sind, aber ihr Anblick erinnerte doch zuweilen an die Sceggemy leggemy, die »armen Burschen« Ungarns, welchen jedmänniglich gern aus dem Wege geht, sintemalen ihnen wenig Gutes, wohl aber mancherlei schlimmer Schabernack zuzutrauen ist.
    Diese Species stammte von »zu Hause«, hatte seine Heimath »bei Muttern«, nahm Absteigequartier »in der Herberge« und bereiste fechtbummelnd Böhmen, ohne einen Satz böhmisch, Frankreich, ohne ein Wort französisch, Dänemark, ohne eine Sylbe dänisch, und Polen, ohne einen Laut polnisch sprechen oder verstehen zu können. Kenntlich war das Individuum an dem zersessenen, ackerfurchigen Hute, den nach Luft schnappenden Stiefeln, dem graubraungrüngelben Hemdenkragen, den charpiefaserigen Hosen und Rockärmeln, dem »Berliner«, dem Knotenstocke, dem schlendernden »Komm-ich-heut-nicht-, komm-ich-morgen-gang« und einem Wanderbuche, in welchem sich die liebe Polizei durch gar manche holdselige Bemerkung wegen des »Bettels« verewigt hatte.
    Auch dieser Spuk hat der unbarmherzigen Aufklärung weichen müssen; keine halb verschmachtete Nordhäuserkehle flötet mehr auf der staubigen Chaussee ihr klagendes
     
    »‘nen alten Gottfried hab’ ich noch,
    Der hat im Arm een großes Loch,
    O Jemine, o Jerum!«
     
    oder das beschaulich-erbauliche
     
    »Wenn ich so off der Straße steh’
    Und mir mein kleenes Geld beseh,
    Da finde ich’s, potz Sapperlot
    Keen Bischen weiß, ‘s ist Alles roth!«
     
    Es kann gar nicht geleugnet werden, daß in dem frischen, fröhlichen Wanderleben ein Reiz liegt, welcher den Fuß nach kurzer Ruhe immer wieder hinauszieht in die schöne, reiche Gotteswelt; auch waren die Anschauungen und Erfahrungen, welche der »Handwerksbursch« von seiner Wanderschaft mit in die Heimath brachte, von nicht geringem Werthe für ihn und Diejenigen, mit denen er in Berührung kam; aber die Gegenwart duldet nicht mehr den Bummelschritt der Vergangenheit; sie hält es für eine Sünde gegen die Pflichten des menschlichen Berufes, die kostbare Zeit und Arbeitskraft auf die Landstraße zu werfen, und bietet einem jeden arbeitslustigen und nach Erfahrung strebenden Menschen der Mittel und Wege genug, ohne Verschwendung des Augenblickes und der ihm innewohnenden Gaben zum Ziele zu gelangen.
    Mag man immerhin die verloren gegangene Poesie des »Lebens auf der Walze« beklagen, eine große Anzahl der diesem Leben und Treiben Ergebenen waren Verehrer des

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