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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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glauben, daß sie auch unvollkommene Geschöpfe zu verbessern, ja sogar ursprüngliche Formen vollständig zu verrücken und umzugestalten vermöge. Wie oft sehen wir den Character einer Person durch eine widersprechende Hülle in Zwiespalt mit seinem inneren Wesen gebracht. Alles wird künstlich gesucht und, was freies Ergebniß einer natürlichen Empfindung war, unterdrückt. Der Wunsch, möglichst lange jung zu bleiben, hat bei manchen Damen allen Geist und alles Raffinement in Bewegung gesetzt, um das Falsche, was sich an der Person vereinigt, gewaltsam in eine gewisse Harmonie zusammenzuschweißen. Einen hervorragenden Platz nimmt hier der Chignon ein, und was birgt er nicht alles in seinem aufgebauschten und aufgeblasenen Dasein! Nicht nur, daß er die Hüte – früher der Schutz gegen Kälte und Schnee im Winter und Hitze und Regen im Sommer – in eine lächerlich winzige Nippform zusammenbefohlen und zu lebensgefährlicher Balance auf dem Gipfel seines Berges verdammt hat, er greift sogar öffentlich und keck in die Rechte der sonst den Damen so ergebenen Männerwelt, indem er den hinter einer Hochbethürmten Gehenden oder Sitzenden aller Perspective beraubt. Den vermittelnden Vorschlag eines praktischen Engländers, man solle das Gebäude durchstechen und in seiner Mitte zum Nutzen der hinter ihm Weilenden einen Operngucker anbringen, hat man wenigstens bis jetzt unbeachtet gelassen. Er nimmt den größten Theil des Kopfes ein, hat einen Hofstaat von Locken und Löckchen, Zöpfen und Zöpfchen, auch zum   Theil von fliegendem Haare, zusammengehalten von Perlenschnuren und Schmucknadeln, die wie Festungswerke möglichst weit bis in Stirn und Nacken hervorgeschoben sind und in dem abgeschnittenen und über die Augen hereinhängenden Vorderhaare einen würdigen Abschluß finden. Unter dem so geschmückten Kopfe spreizt sich ein ganzes Magazin von Leinen, Wolle, Baumwolle, Sammet und Seide, von Spitzen, Bändern, Garnituren und Besätzen, von Schößen, Puffen, Tunika’s, Schleifen und Volantes. Man kann die Zusammengehörigkeit dieser Gegenstände nicht begreifen und ist gezwungen, zu sehen, was man für unmöglich hält. Und die Träger der oft gerafften, oft furchtbar geschwollenen, oft mit einem Kameelhöcker versehenen, oft mit raubvögelähnlichen Flügeln aufgeputzten Hülle stecken in einer Fußbekleidung, deren stelzenhohe Absätze den Gang lebensgefährlich, das Gebäude wankend machen und kein rechtes Gefühl der Sicherheit aufkommen lassen. Doch vielleicht soll es so sein; es steht heutzutage so Vieles auf unsicheren Füßen!«
    Wohl mag diese Schilderung etwas zu drastisch sein, aber es ist nicht schwierig, zu gestehen, daß des Weibes größester und einflußreichster Schmuck in ihrer natürlichen und ungekünstelten Anmuth bestehe und diese Anmuth am allerbesten durch einfaches Gewand hervorgehoben und zur Geltung gebracht werde. Oft ist ein bescheidenes, anspruchloses Blümchen mit mehr und größerem Rechte Königin eines Balles, als die stolzeste, von der Schwere ihrer Perlen und Diamanten belästigte Rose.
    Nicht blos der Jugend, dem Frühlinge des Lebens ist eine solche Anmuth eigen, sondern da sie ein wirklich vorhandenes Eigenthum ist, so ist es möglich, sie mit in das spätere Alter hinüber zu nehmen. Es giebt Matronen, welche eine solche Anmuth besitzen, daß sie in dem mädchenhaften Schimmer, welcher ihr liebenswürdiges Wesen und Thun umfluthet, um Vieles jünger erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind.
    Eine wirkliche Schönheit kann nur aus dem Zusammenwirken körperlicher und geistiger Eigenschaften hervorgehen, und ganz besonders sind es die letzteren, welche Herzen zu gewinnen und zu erhalten vermögen. Nur durch sie ist es möglich, ein errungenes Glück für immer festzuhalten und zu bewahren, und es ist deshalb Aufgabe einer guten Erziehung, jene Eigenschaften zu wecken und auszubilden. Aber wie sehr wird hier gefehlt und durch Unterlassung gesündigt.
    Wenn aber gesagt wurde, daß der Mann ein Bild der göttlichen   Macht, und das Weib ein Ebenbild der Liebe Gottes sein solle, so ist damit gesagt, daß die Aufgabe des Ersteren eine active, diejenige des Letzteren aber eine mehr passive sei. »Auf, laßt uns Thaten thun!« Ist ein Wahlspruch, echter Männer würdig, während er aus weiblichem Munde vielleicht einen andern Klang annehmen würde. Zwar soll die Frau auch »Thaten thun«, aber nicht mit der Faust, nicht durch das athletische Anstrengen all’ ihrer Nerven

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