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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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en miniature zu pflanzen; das Herz wird verhärtet und rücksichtslos und verschließt sich allen jenen zarten und liebenswürdigen Regungen, welche das nothwendige Zusammenleben der Menschen zu einem Genusse, einem Glück machen. Man sieht Kinder, welche, wie zum Ballet herausstaffirt, zu Zier- und Modepuppen erzogen werden, denen es im ernsten Leben einmal an allem festen Halt fehlen muß. Solche Eltern erziehen sich die Kinder zur eigenen Strafe.
    Und das ist noch nicht Alles, noch nicht das Schlimmste.
    Die Kinderseele ist zart, weich und eindrucksfähig wie Wachs und jede an sie herantretende Erscheinung prägt sich ihr in Folge dieser außerordentlichen Empfänglichkeit und Bildsamkeit ein, läßt ihre tiefen Spuren zurück und äußert auf diese Weise einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf Gestaltung und Richtung sowohl des inneren als auch des äußeren Lebens.
    Dies bedenkend, sollten die Eltern jeden Eindruck, welcher in schädlicher Weise auf des Kindes Herz zu wirken vermag, mit der größten Sorgfalt und Aengstlichkeit von ihm fern halten, damit die Fähigkeiten des jungen, hoffnungsvollen Menschenlebens nur in der Richtung des wahrhaft Guten und wahrhaft Reinen ausgebildet würden. Blickt man aber in das Leben der Familien hinein, so findet man in dieser Beziehung die größte und unverantwortlichste Nachlässigkeit vor.
    Schon im engen Kreise des Hauses und der Familie giebt es eine lange Reihe von Vorgängen, welche dem Auge des Kindes entzogen werden müssen. Da wir hier nur die Liebe zu den Eltern im Auge haben, so wollen wir von all’ denjenigen von diesen Vorgängen absehen, welche zu dieser Liebe in keiner Beziehung stehen und also auf ihre Veränderung keinen Einfluß haben; aber wenn wir behaupteten, daß die erste und sicherste Grundlage der Liebe zu den Eltern in der Achtung vor und der Ehrerbietung zu ihnen stehe, so werden sich unseren Beobachtungen hunderte von gewöhnlich nicht beachteten Fällen bieten, in denen diese Ehrerbietung Schaden leidet und die Liebe also beeinträchtigt wird.
    Hier gilt vor allen Dingen die ernste Mahnung an die Eltern, selbst und stets so zu sein, zu reden, zu handeln und zu leben, wie sie es von ihren Kindern wünschen, ihnen also allezeit und in jeder Lebenslage ein leuchtendes und nachzuahmendes Beispiel zu sein. Untugenden und Laster, denen sich Eltern hingeben, pflanzen sich den Kindern ein und klammern sich ihnen an wie Parasiten, deren Ausrottung in so vielen Fällen trotz der nachhaltigsten Anstrengung nicht gelingt. Aller Zwist muß unter vier Augen abgehandelt und die Kinder dürfen nicht Zeugen dabei werden. Wie viel hier und in hundert anderen Fällen, deren wir keiner Erwähnung thun, von den Eltern gefehlt wird, muß jeder Vater und jede Mutter sofort erkennen, sobald man mit der nöthigen Aufmerksamkeit auf sich und die Seinen achtet.
    Viele Eltern klagen über Mangel an Liebe und Anhänglichkeit, an Gehorsam und Zutrauen bei ihren Kindern und wissen nicht, woher dieser Mangel kommt. Sie haben ihre Kinder lieb, beweisen ihnen diese Liebe ohne Unterlaß und thun Alles, was sie für ihre Pflicht halten; und doch sehen sie im Herzen der Kinder nicht diejenigen Knospen springen, welche im Herzen eines jeden Kindes treiben und Früchte bringen sollen. Woher kommt das? Im Großen und Ganzen sind Vater und Mutter auf die sorgfältigste Erfüllung ihrer Pflichten bedacht, aber das Kleine entgeht ihnen, und doch haben die scheinbar unbedeutendsten Dinge sehr oft und grad’ auch hier die augenfälligsten Folgen. Wollt Ihr, daß Eure Kinder Euch lieben und ehren, so seid ohne Unterlaß und auch im Allerkleinsten und Geringsten bedacht, Euch diese Liebe und Achtung zu verdienen.
    Hier ist ein Wort nöthig über das Verhältniß der Stiefeltern zu ihren Kindern und überhaupt alle solche Fälle, in denen fremde Personen die Stelle der Eltern vertreten.
    Die Sylbe »Stief« gehört zu denjenigen in Mißcredit gerathenen Ausdrücken, bei deren Klange man unwillkürlich zu einem Gefühle des Mitleides für Diejenigen getrieben wird, auf die sie Bezug haben, und ihre   Bedeutung, die ursprünglich eine reine und ungetrübte war, ist eine in der Gesellschaft mißliebige geworden. Warum?
    Der größte Verlust, welcher ein Kind zu treffen vermag, ist der Verlust der Eltern, und keine Person vermag die Stelle des gestorbenen Vaters, der abgeschiedenen Mutter im Herzen des Kindes vollständig zu ersetzen. Ebenso vermag weder Mann noch Weib das Kind eines

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