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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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echte, wahre ist doch selten. »Der beste Freund ist mir im Himmel, auf Erden sind die Freunde rar, denn bei dem falschen Weltgetümmel kommt Redlichkeit oft in Gefahr« sagt der alte Liedervers, »Freunde in der Noth gehn hundert auf ein Loth,« und
     
    »Da ich glücklich war auf Erden,
    Wollten alle meine Freunde werden;
    Da ich aber kam in Noth,
    Waren alle meine Freunde todt,«
     
    klingt der vielgehörte, wahre Spruch, welcher sich über die Seltenheit der unverfälschten Freundschaft beschwert. Wem daher der erwähnte Wurf gelungen ist, der soll den gewonnenen Freund auch festhalten und sich seiner werth erzeigen. »Uebergieb einen alten Freund nicht,« sagt Sirach, »denn du weißt nicht, ob du so viel am neuen kriegest. Ein neuer Freund ist ein neuer Wein; laß ihn alt werden, so wird er dir wohl schmecken.« Je älter der Freund, desto mehr hat er sich bewährt und desto höher steigt auch sein Werth.
    Vor allen Dingen aber muß bedacht sein, daß Derjenige, welcher über den Mangel an wahrer Freundschaft klagt, zuerst bei sich selbst anfangen sollte. Wer an sich selbst arbeitet und einen Freund nicht nur zu erringen, sondern auch zu verdienen sucht, der wird ihn auch finden, und wer bei sich selbst das Wort Salomo’s: »Ein treuer Freund liebet mehr und stehet fester bei, denn ein Bruder,« beherzigt, der wird auch nicht über Untreue zu klagen haben. – –
    Wer nun ist mein Freund? oder vielmehr, wem soll ich Freund sein?   Die beste Antwort auf diese Frage giebt uns Christus in seinem: »Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen deinen Kräften, und deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« Diese Nächsten-, diese Bruderliebe ist eine nothwendige und unausbleibliche Folge der Gottesliebe; denn: »Wer seinen Bruder nicht liebet, den er siehet, wie kann der Gott lieben, den er nicht siehet?«
    Wer aber ist mein Nächster? Das Beispiel vom Samariter zeigt es deutlich, ein Jeder, der mir nahe kommt, der meiner Hülfe, meiner Unterstützung, meiner Freundschaft, meiner Liebe bedarf. Hier darf kein Unterschied des Standes, des Vermögens, der Politik, der Religion gelten, denn »wir sind allzumal Kinder eines einigen Vaters,« »wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den wir vor Gott haben sollen.« Wenn wir daher der Gnade Gottes in gleichem Maße bedürfen und Keiner einen Vorzug vor dem Andern hat, so gilt es auch, unsere Liebe nicht nach Rücksichten zu vertheilen, sondern sie gleichmäßig auf Alle zu erstrecken.
    »Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr den Balken in deinem Auge?« spricht Christus. »Du Heuchler, ziehe zuvor den Balken aus Deinem Auge, und darnach siehe zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest.« »Denn mit dem Maaße, da ihr messet,« sagt er am andern Orte, »wird euch auch gemessen werden,« und kein Philosoph, kein Menschenfreund hat die Lehre von der Nächstenliebe so rein und unverfälscht, so glühend und eindringlich verkündigt, wie er, der Prophet aus Galiläa, der für seine Liebe nur Haß erndtete und seine Predigt am Holze büßen mußte.
    Während jede andere Religion die Liebe nur für ihre eigenen Bekenner predigt, umfaßt das Christenthum die ganze Menschheit mit seiner warmen Theilnahme, und wenn trotzdem grad’ der Christ so schwer sich an der Gesellschaft versündigte, so lag dies nicht an dem ursprünglichen, wahren und unverfälschten Christenthume, sondern an der Dunkelheit des Kittes, mit welchem man die Lehren des Nazareners zu einem Gebäude verband, unter welchem den menschlichen Leidenschaften ein weiterer Spielraum geboten war.
    Die christliche Nächstenliebe findet ihren Gipfelpunkt in der Feindesliebe. »Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel; denn er lässet seine Sonne aufgehen   über Gute und Böse und lässet regnen über Gerechte und Ungerechte,« lehrt und begründet Christus diese Feindesliebe, welche den höchsten Grad menschlicher Selbstüberwindung und Herzensfreundlichkeit voraussetzt. Einer Zuneigung, einer Anhänglichkeit, ja einer gewissen Art von Liebe ist auch das Thier fähig; aber ein feindliches Wesen zu lieben und es mit Wohlthaten zu überschütten, dazu ist nur der Mensch in seiner sittlichen Vollkommenheit fähig.
    Zwar mag es schwer sein, auch den Mantel hinzugeben, wenn Einer den Rock

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