Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
unbenutzten Gemeindegütern in Folge eines mit Stimmenmehrheit gefaßten Beschlusses statt.
Die Gemeindeverfassung gründet sich auf die Gemeindeordnung, auf das Herkommen, auf Vergleiche, auf Rezesse, sowie auf allgemeine Landesgesetze und endlich auf das gemeine Recht, wo dasselbe nicht ausdrücklich aufgehoben ist. Durch den Tod aller Mitglieder, oder mit der Aufhebung von Seiten des Staates, oder durch freiwillige Auflösung von Seiten der Mitglieder hört die Gemeinde auf, insofern nicht für Letztere besondere Gesetze und Bestimmungen entgegenstehen.
Aus der Vereinigung von Gemeinden entsteht der Staat.
Der Staat besteht in der Vereinigung von freien Menschen auf einem bestimmten Landesbezirk unter gemeinschaftlicher Obergewalt zum Zwecke eines festen Rechtszustandes. Von dieser Vereinigung sind wohl zu unterscheiden diejenigen des Stammes, des Volkes und der Nation.
Unter einem Stamme versteht man die Vereinigung von Familien, welche einen gemeinschaftlichen Stammvater haben, und es war die Eintheilung nach Familien und Stämmen in den ältesten Zeiten im Morgenlande die vorherrschende und ist es auch heute noch; auch im Abendlande begegnen wir ihr. Besonders deutliche Kunde von ihr bekommen wir in der Geschichte des Volkes Israel, der Griechen und Römer und ebenso auch der alten Germanen.
Die Vereinigung der Stämme bildet eine Nation. Sie wird zu einem Ganzen gemacht durch ein inneres, aus der Menschennatur hervorgegangenes und durch Geburt und gemeinschaftliche Abstammung sich ziehendes Band, während das Volk, wenigstens anscheinend, sich zufällig bildet. Dieses verbindende Princip nennt man Nationalität, welche nicht mit der Volksthümlichkeit verwechselt werden darf.
Das nationale Leben ist als eine zweite Steigerung des individuellen menschlichen Lebens anzusehen, dessen erste Comparation das Familienleben ist. Indem Familien sich in einer und derselben Wohnstätte der Erdoberfläche zusammenfinden, oder in späteren Generationen die Bande des Familienlebens lockerer werden, bilden sich in der einfachsten Weise Nationen, die dann, wenn ihr Wohnplatz ihnen nicht mehr genügt, in Nomadenstämmen umherziehen und, wo sie hinlängliche Weide für ihr Vieh und fruchtbaren Boden finden, sich ansiedeln und nun erst, unter immer vielfacher werdender Verschlingung der gesellschaftlichen Bande, zur Höhe des Nationallebens gelangen.
Daß nach dem friedlichen Principe der Natur Menschenvereine zu Nationen sich bilden sollten, ersehen wir deutlich aus den Uebereinstimmungen, welche Menschen, die lange innerhalb einer Naturgrenze zusammenleben, erhalten, wodurch die Natur ihnen gleichsam ihren Stempel aufdrückt. Hierher gehören die als Nationalphysiognomie bezeichneten eigenen Gesichtszüge, die z.B. so entschieden bei den Chinesen hervortreten, welche unter allen größeren Völkerschaften am wenigsten aufgehört haben, Nation zu sein.
Die von der Natur verliehene Nationalbildung beschränkt sich aber nicht allein auf die Gesichtszüge, sondern verbreitet sich auf den ganzen Körper, und selbst der Geist nimmt an dieser Uebereinstimmung Theil. In Folge der natürlichen Geistesentwickelung bildet sich eine Nationalsprache, Nationalreligion, Nationalsitten aller Art, überhaupt ein Nationalcharacter. Alles dies ändert sich im Zeitfortgange, da eine Nation, von innen und außen beeinträchtigt, nach und nach ihren früheren Verhältnissen entzogen und in neue versetzt wird; durch diese Veränderung der Verhältnisse bildet sich auch eine Veränderung der Sitten und des Characters aus, und es gestaltet sich mit der Zeit ein ganz anderes Nationalleben. Nur selten wird es eine Nation geben, welche ihre Eigenthümlichkeiten selbst in der Zerstreuung über alle Länder der Erde so treu bewahrt hat, wie die Juden.
Wie aber ein Mensch im individuellen Leben sein Heil dann am wenigsten verfehlt, wenn er der Natur treu bleibt und ihren Gesetzen Folge leistet, so wird auch die Wohlfahrt einer Nation am gesichertsten bleiben, wenn ihre Gesetzgebung die gebotenen Eigenthümlichkeiten berücksichtigt und ebenso auch die Berechtigungen anderer Nationalitäten im möglichsten Umfange anerkennt. In dem Maaße, als dieses Ziel verfolgt wird, wird auch der Patriotismus und die Vaterlandsliebe angeregt und immer fester begründet, und in diesem beiden besteht ja der eigentliche innere Haltepunkt eines Nationallebens.
Während der Begriff »Nation« eine natürlich verbindende Einheit im Sinne hat, zielt der Begriff
Weitere Kostenlose Bücher