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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Witterungsregeln und meteorologischen Scharfsinnigkeiten.
    So ist’s auch mit der Liebe. Ihr ist es nicht gegeben, zu addiren oder zu dividiren, und darum kann sie sich auch nie verrechnen. Sie ist göttlichen Geschlechtes und kann, so lange sie diese Abstammung nicht verläugnet, sich nie irren. Die Liebe, die echte, wahre, reine Liebe ist nie blind, sondern gleicht der Seherin, deren Auge nicht nur Vergangenes und Gegenwärtiges, sondern auch die Zukunft umfaßt.
    Sobald aber die Tochter des Himmels mit den irdischen Schwächen in Berührung tritt, sich von Rücksichten leiten läßt, welche eine Berechnung voraussetzen, oder den physischen Trieben eine zu große Gewalt über sich einräumt, so wird aus der infalliblen Herrscherin eine Sclavin irdischer Leidenschaften oder Rücksichten und dann, ja dann geht ihr die Untrüglichkeit verloren und sie geräth auf Wege, welche sie weit ab von ihrem Ziele, von ihrer Bestimmung führen.
    Welches ist denn nun diese Bestimmung der Liebe?
    Es ist ganz dieselbe und keine andere, als die Bestimmung jedes einzelnen Menschen sowohl, als auch des ganzen Menschengeschlechtes, die Bestimmung jeder einzelnen Naturerscheinung als auch diejenige der ganzen Schöpfungswelt: der Zweck glücklich zu sein.
    Mag man sich die Welt entstanden denken durch den Willen eines allmächtigen Gottes oder in Folge eines großen, Alles dominirenden Naturgesetzes, mögen Glaube und Zweifel in dieser Beziehung ein ander noch so schroff gegenüberstehen, in Einem treffen sie doch zusammen, in der festen Ueberzeugung, daß der einzige Zweck des Bestehenden derjenige des Glückes sei. Nur muß man hierbei gar wohl die Frage aufwerfen, was man unter »Glück« denn eigentlich zu verstehen habe?
    Die Ansichten hierüber sind so verschieden, daß fast jeder einzelne Mensch seine eigene Meinung hat und seine eigenen Ansprüche macht. Er hat sich irgend ein gewisses Ziel gesetzt, irgend ein bestimmtes Bild des Wohlbefindens entworfen und nennt nun alles Das, was ihn diesem Ziele zuführt, einen Grundzug dieses Bildes ausmacht, Glück, ohne zu beherzigen, daß der Mensch mit seinen schwachen Sinnen so oft der Täuschung unterworfen ist und in Folge dessen Wünsche hegt, deren Erfüllung ihm schadet, oder Befürchtungen unterhält, die zu seinem Wohlsein in divergirender Linie stehen.
    Zunächst ist es eine unumstößliche Wahrheit, daß ein Glück bei völliger Abgeschlossenheit, in einem gleichsam ummauerten Einzelleben eine vollständige Unmöglichkeit sei. Der Mensch ist, wie schon Herodot sich ausdrückt, ein »politisches Thier«, das will sagen, ein Wesen, welches nur im Zusammenleben mit Seinesgleichen seine Bestimmungen erreichen, also glücklich zu werden vermag. Das menschliche Glück, das menschliche Wohlbefinden ist also nur dann ein solches, wenn es mit dem Wohlbefinden und dem Glücke der Menschheit als Großes und Ganzes nicht im Widerspruche steht, und indem die Aufgabe des Menschen, glücklich zu sein, ihn durch die Neigung seines Herzens zur freundlichen Verbindung mit Anderen führt, legt sie ihm gewisse Bedingungen auf, welche alle darauf zielen, daß das Wohlsein der Gesellschaft nicht durch das vermeintliche Wohlsein des Einzelnen bedroht oder gar gestört und beschädigt werde.
    Um glücklich sein zu können, hat jeder Mensch die Heilighaltung gewisser Rechte zu beanspruchen, welche, weil sie der ganzen Menschheit zustehen, allgemeine Menschenrechte genannt werden. Diese Rechte, welche eigentlich das Naturrecht ausmachen, kommen einem Jeden vermöge seiner menschlichen Natur zu und sind aus derselben begründet, also unveräußerlich. Diese »angeborenen Vernunftrechte«, welche an allen Orten, zu allen Zeiten und ohne alle Voraussetzung, also auch ohne Gesetz, Vertrag etc. ihre volle Geltung haben müssen, sind verschieden von den angeborenen Staatsbürgerrechten, bei denen schon ein staatliches Zusammenleben vorausgesetzt werden muß. Sie sind:
    1., das Recht der Persönlichkeit, nach welchem jeder Mensch verlangen kann, daß man ihn nicht als Waare oder als bloßes Mittel gebrauche und wider seinen Willen zu etwas bestimme, was gegen seine Aufgabe als Glied der Menschheit ist, sondern ihn als vernünftiges und selbstdenkendes Wesen behandle.
    2., das Recht der äußeren Freiheit, das dem Menschen gestattet, unbeschränkt nach seinem eigenen Willen zu handeln, sofern er nichts Pflichtswidriges vollbringt. Er darf daher seine körperlichen und geistigen Kräfte frei entwickeln und

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