Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
bei der innigen Zuneigung, mit welcher naturgemäß sich Alle umfassen, auf freundlichem Wege und in einer Weise, welche Niemandem wehe thut. Natürlich ist hierbei vorausgesetzt, daß die Eltern ihren heiligen Verpflichtungen gewachsen sind und die Entwickelungen des inneren Lebens der zur Familie gehörigen mit reger, ernster und unausgesetzter Theilnahme überwachen. Dann wächst das Reis der Verwandtschaft zu einem mächtigen, kräftigen und gesunden Baume empor, welches duftende Blüthen trägt, reiche Früchte bringt, seinem Gärtner Ehre macht und den stärksten Stürmen trotzt, und die Familie wird im wahrhaften Sinne das, was sie sein soll: eine Vorbildungsschule für die Gemeinde, den Staat und die ganze menschliche Gesellschaft.
Aus der Verbindung mehrerer Familien entsteht die Gemeinde, nämlich die Dorf- oder Stadtgemeinde. Im weiteren Sinne versteht man unter Gemeinde eine Genossenschaft Mehrerer zu einem gemeinsamen, fortdauernden und vom Staate gebilligten Zwecke.
Als juristische Person steht die Gemeinde im Allgemeinen einer physischen Person gleich, erwirbt und wird verbindlich wie diese, soweit ihr nicht ein Gesetz oder die Natur entgegensteht. Als Gesellschaft hat sie alle Rechte und Befugnisse, welche aus der Natur und dem Zwecke ihrer Verbindung fließen und ist in mancher Hinsicht gesetzlich sogar noch bevorrechtet, indem sie z.B. die Rechte der Minderjährigkeit genießt.
Zur Gründung einer Gemeinde sind wenigstens drei Personen erforderlich; doch ist außerdem die Bestätigung der höchsten Gewalt im Staate nöthig, und deshalb beruht sie eigentlich auf einem Privilegium.
Der Inbegriff der dem einzelnen Gemeindeberechtigten zustehenden politischen und Ehrenrechte, eben so der nutzbaren und sich auf das Vermögen beziehenden Rechte heißt »Gemeinderecht.« Der bloße Aufenthalt in der Gemeinde oder ein Grundbesitz in derselben giebt die Rechte noch nicht. Daher haben die in der Gemeinde Angestellten (Pfarrer, Lehrer, Forstbeamte) in der Regel kein Gemeinderecht, wenn nicht besondere Gesetze oder Verträge, Verjährung und Herkommen ihnen solches geben.
Auf den Dörfern haben meist nur die Besitzer einer Ackerwirthschaft Gemeinderechte, Häusler und Miethlinge sind davon ausgeschlossen. Die Bestimmungen über die Verfassung, Verwaltung und Organisation der Gemeinde, über die Erwerbung des Gemeinderechtes, über die Rechte und Pflichten der Gemeinde und ihrer Glieder, über das Gemeindevermögen, über die Unterordnung der Gemeinden unter die Aemter etc. enthält die Gemeindeordnung.
Eine Gemeinde kann nur für den vom Staate anerkannten Zweck handeln. Handlungen gegen denselben machen nicht die Gemeinde als solche, sondern die einzelnen Individuen verbindlich. Die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten geschieht nach den gesetzlichen Vorschriften oder nach den herkömmlichen Vorschriften durch die Gemeindevorsteher. Diese haben das Recht, ein Gemeindsiegel zu führen und Versammlungen zum Zwecke der Beschlußfassung anzuberaumen. Gewöhnlich werden sie von der Gemeinde gewählt, doch ist der Modus hierzu und auch die Bestätigung der Gewählten durch die höheren Behörden nach den einzelnen Staaten verschieden, und in manchen Ländern ernennt der Grundherr oder die Regierung die Gemeindevorsteher.
Oft sind diese Letzteren auch mit der niederen Gerichtsbarkeit und Polizei beauftragt, obschon dies nicht im Wesen ihres Amtes liegt. Besonders liegt ihnen die Verwaltung der Gemeindegüter ob, deren Genuß allen Gemeindegliedern zusteht. Der Staat hat, obwohl sie nicht als Staatsgüter anzusehen sind, doch ein Aufsichtsrecht bei deren Erwerbung, Verwaltung und Veräußerung.
Ferner haben sie die Gemeindekosten, also die Abgaben und Leistungen für die Gemeinde mit Beirath der Gemeindeglieder zu vertheilen. Ebenso liegt ihnen die Regulirung und Verwaltung der Gemeindeschulden ob. Zunächst haftet das Gemeindevermögen für die Schulden; doch wird auch das Privatvermögen der einzelnen Glieder pflichtig, wenn die Schuld durch solche Bedürfnisse veranlaßt wurde, zu deren Bestreitung die einzelnen Glieder verhältnißmäßig hätten beitragen sollen, w.z.B. die Kriegsschulden.
In gewissen Zeiträumen, meist jährlich, haben die Gemeindevorsteher Gemeinderechnung abzulegen, d.h. Berechnung aller Einnahmen und Ausgaben, die jährlich bei einer Gemeinde vorkommen, sowie Uebersicht über den Stand des Gemeindevermögens zu geben. Gemeinde- oder Gemeinheitstheilungen finden nur an bisher
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