Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Verschiedenheit der religiösen und sonstigen Anschauungen aller dieser Völker hatten ihre Schulen doch nur den einen Zweck, Weisheit zu erlangen, und da die rechte Weisheit nur darin besteht, glücklich zu sein, und dieses Glück nur durch die Liebe zu erreichen ist, so strebte der Unterricht aller Völker trotz seiner scheinbaren Verschiedenheiten immer doch nur diesem einen Ziele zu. Deutlich ausgesprochen wurde dasselbe allerdings erst durch das Christenthum, und dieses letztere ist es auch, welches als Träger der wahren Intelligenz eine Entwickelung des Schulwesens aufzuweisen hat, wie keine der anderen Religionsformen.
Soll der Einfluß der Schule auf den Zögling ein erfolgreicher und dauernder sein, so muß sich das Verhältniß zwischen Eltern und Lehrer zu einem freundlichen gestalten, und die Bemühungen Beider müssen Hand in Hand gehen. Nur diese Einigkeit kann das beiderseitige Wollen zu einem wirklichen Vollbringen führen und das Kind vor den schlimmen Folgen bewahren, welche die so oft beobachtete und beklagte Divergenz zwischen Schule und Familie nach sich zieht. Die Liebe ist’s auch wieder, welche alles Unebene zu glätten und auszugleichen vermag und in welcher sich alle Bestrebungen begegnen müssen. Noch liegt die Zeit nicht weit hinter uns, in welcher der Schulmeister fast noch bezeichnender Stockmeister genannt werden mußte, weil alle seine Handlungen sich auf die Ansicht stützten, daß der Stock der beste Präceptor sei. Es muß ja Strafe sein, und auch für den Lehrer gilt das Wort: »Wer seinen Sohn lieb hat, der züchtige ihn,« aber nur die Liebe soll strafen, und wenn dies geschieht, so wird grad’ die Züchtigung das Band befestigen, welches das Herz des Kindes zu dem Lehrer zieht.
Mit der Institution der Schule sind wir schon aus der Familie heraus auf das Gebiet des Staates getreten, auf welchem dem scharfsinnigen Beobachter sich in tausendfältiger Weise die Erfahrung aufdrängt, daß auch die Einrichtungen desselben unter dem Einflusse einer Entwickelung stehen, welche von der finsteren Strenge des Alterthumes zu immer lichteren, klareren, freundlicheren und wohlthuenderen Zuständen führt.
In den früheren Zeiten war es ganz vorzugsweise die Selbstsucht, welche die Muskeln und den Willen hervorragender Persönlichkeiten spannte, die Schwächeren in Abhängigkeit zu stellen und sich unterthänig zu machen, und der Fuß dieser Gewaltigen schritt dann schonungslos über das Glück von Tausenden dahin, welche ihren Nacken dem Joche der Knechtschaft und Sclaverei beugen mußten. Eroberung und Bereicherung war der am eifrigsten verfolgte Regierungszweck; die brutalste Kraft und die niedrigste Hinterlist wurde zu seiner Erreichung angewendet, und selbst in den cultivirtesten Staaten des Alterthumes, in Griechenland und Rom, begegnen wir der Unterdrückung und Ausrottung ganzer Völkerschaften, welche ein heiliges Recht auf freie individuelle und nationale Entwickelung hatten.
Jene berühmten Eroberer, von denen »noch der Nachwelt Stimme spricht«, erscheinen dem Menschenfreunde nicht anders, als wilde, blutgierige Tyrannen, und mögen ihre Thaten dem Einzelnen auch als Heldenthaten erscheinen, so hat die Geschichte sie doch in ihrer unwandelbaren und unbestechlichen Gerechtigkeit dadurch gerichtet, daß sie ihnen keine dauernden Erfolge einräumte. »Ein friedlich Regiment und eine freie Bahn für Alles, was der Mensch gebraucht und schafft, das ist es, was der Völker Wohlfahrt gegründet«, sagt einer unserer besten Volkswirthschaftslehrer, und die Versündigung gegen diese Wahrheit hat sich stets an dem eigenen Fleische und Blute, an dem eigenen Volke, der eigenen Nation bitter und blutig gerächt. Wo sind die Völker, deren Stern wie ein glühendes Meteor am Horizonte des Menschengeschlechtes emporstieg, um die Sterne anderer Völker in Trümmer zu scheitern? Wie sieht es heut aus mit der Cultur all’ jener Länder, deren Erndten des »Schwertes scharfer Mund« gefressen?
»Und rings statt grüner Matten
Ein ödes Haideland,
Kein Baum verstreuet Schatten,
Kein Quell durchdringt den Sand. –«
All’ jene großen Eroberungen des Alterthums liegen in Schutt und Trümmer oder unter dem Sande der Wüste begraben; die Helden der Völkerwanderungen und der Kreuzzüge leben in Geschichtsbüchern und Romanen; selbst das edle Geschlecht der Hohenstaufen mußte erlöschen, weil es nicht erkannte, was zum Frieden der Völker dient; das Machtreich Napoleons sank
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