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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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scheint es, als sei dabei das Kleid mit dem Manne, der Körper mit dem Geiste verwechselt worden. Es muß wohl zugegeben werden, daß ein bloßer Geist nach den Gesetzen der Natur keine Wirkung auf die seienden Dinge haben kann, und wenn Gott also ein Geist ist, so sind wir zu der Annahme gezwungen, daß er nicht blos Geist sei, sondern auch einen Körper, einen Leib besitze, durch welchen er sich mit den erschaffenen Wesen in Verbindung setzt. Freilich sind bei diesem Gottesleibe nicht diejenigen Voraussetzungen festzuhalten, welche man bei einem irdischen Körper macht. Gott ist allgegenwärtig; sein Körper, der Weltäther, durchdringt ohne räumliche Abgrenzung das ganze All, bewegt das Atom und rollt die Welten; durch ihn, durch seine Thätigkeit wurde Gott Schöpfer, durch ihn erhält er alles Seiende in immer fortschreitender Entwickelung, und durch ihn leitet und regiert er das große, unendliche Reich des Bestehenden.
    »Wo soll ich hingehen vor deinem Geiste, und wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesichte?« fragt die Bibel. »Führe ich gen Himmel, siehe, so bist du da; bettete ich mich in die Hölle, siehe, so bist du auch da; nähme ich Flügel der Morgenröthe und bliebe am äußersten Meere, so würde doch deine Rechte mich führen und deine Hand mich halten!« Ein neuerer Gelehrter sagt: »das Volk wird immerfort noch durch die Bibel, das Buch der Bücher, in welchem man für alle, auch die bornirtesten Geistesströmungen ein Wort findet, in unvernünftiger Weise belehrt«; und Dr. H. Lang, Pfarrer in Zürich, sagt in seiner Schrift über das Leben Jesu und die Kirche der Zukunft: »die freie Forschung der Neuzeit hat der Bibel schon längst den Nimbus geraubt, den Unwissenheit in sie gelegt.« Wir glauben sehr, daß diese Leute so zu sagen das Kind mit dem Bade ausschütten. Zugegeben muß allerdings werden, daß die Bibel weder ein Leitfaden für naturwissenschaftliche Forschungen ist, noch den Ausbau eines in sich abgeschlossenen philosophischen Systems bewerkstelligen soll. Sie enthält   vielmehr eine Sammlung der verschiedensten Arten von Schriften, in denen die geschichtlichen Erlebnisse gewisser Personen und Völker verzeichnet stehen und die Anschauungen von Geistern aufbewahrt werden, welche weit über ihre Zeit hinausragten. Und hierin liegt ihr großer, unleugbarer Werth. Der Geist ist göttlichen Ursprunges und vermag es, auf Augenblicke die Schranken der Zeit und des Raumes zu überfliegen. In solchen Augenblicken wird der Mensch zum Seher, zum Propheten, und seine Idee ist »vom heiligen Geiste eingegeben,« wie sich die Bibel in menschlicher Sprache ausdrückt. Das Wort, welches diese Idee verkündigt, ist ein Kriterium und enthält eine Wahrheit, zu deren Erkenntniß erst spätere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende gelangen werden. Die Bibel ahnt und glaubt, die Wissenschaft zweifelt und sucht, und beide werden an einem und demselben Ziele zusammentreffen. Und wenn der Forscher sich unmöglich entschließen kann, das »Buch der Bücher« seinem Gesammtinhalte nach zu unterschreiben, so muß er ebenso und der Wahrheit gemäß zugestehen, daß auch die Wissenschaft keineswegs den Anspruch erheben dürfe, in ihren Einzelnheiten unfehlbar zu sein.
    Wenn wir das oben angeführte Bibelwort betrachten, so werden wir sofort an unsere Vorstellung des Weltäthers als »Leib Gottes« erinnert, und neben all’ der hinreißenden Poesie scheint diese Stelle eine tiefe Wahrheit zu enthalten, welche der Sänger allerdings nur ahnend ausgesprochen hat. Für ihn sind Himmel und Hölle die entferntesten Pole des Seins, und doch ist Gott in beiden gegenwärtig. Er spricht von Gottes Geist und Gottes Angesichte, von seiner Rechten, von seiner Hand; für ihn ist Gott also nicht blos Geist, sondern er kleidet ihn auch in eine, wenn auch nicht unmittelbar wahrzunehmende Erscheinungsform, und es will uns dünken, daß all’ die biblischen Erzählungen von dem Besuche Gottes auf Erden und in menschlicher Gestalt keinen andern Zweck haben, als anzudeuten, daß er eine körperliche Darstellungsweise besitze.
    Es ist doch vielleicht ein Wagniß, die Gravitation, Electricität, den Magnetismus etc. als Wirkungen des Weltäthers darzustellen und letzterem die Gesetze zuzuschreiben, nach denen das All entstanden ist und fortbesteht, vielmehr darf man wohl, ohne auch ein Schwärmer zu sein, die Annahme hegen daß dieser allen Selbstbewußtseins und aller Selbstbestimmung ermangelnde Aether die äußere Gewandung

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