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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bildet dann bewußt oder unbewußt die Grundlage, wonach später der Courszettel der Liebe entworfen wird.
     
    Es giebt kaum einen Moment, welcher weniger in das Wesen der Liebe eingeht, als diese Art von solidem Materialismus. Wenn irgend Etwas unbestreitbar und unbezweifelt ihrer Gefühlsweise eigenthümlich ist, so ist es jener Zug eines aufwallenden Idealismus, der die materiellen Lebensgüter gering achtet, dem sie vollständig gleichgültig erscheinen gegenüber dem höheren Gute des Besitzes der Geliebten, wie dies Walter Scott in seinem »Mädchen von Isla« schildert:
     
    O Maid von Isla, hoch vom Riff,
    Das gähnend in die Tiefe sinkt,
    Erspähst du jenes kleine Schiff,
    Das trotzig mit der Brandung ringt?
    Wie bäumt es sich und knirschet jach,
    Sein Deck in Schaum und Gischt begräbt’s;
    Warum es trägt solch’ Ungemach? –
    O Isla’s Maid, zur Heimath strebt’s!
     
    O Isla’s Maid, die Möve schau’,
    Die schimmernd durch den Nebel glüht,
    Wie durch der schwarzen Wetter Brau’
    Im Zickzack sie zum Fels sich müht;
    Durch Meergebrüll und Wolkennacht,
    Vom Sturm gepeitscht, vom Schaum genäßt;
    Was zieht zum Felsen sie mit Macht? –
    O Isla’s Maid, ihr Heimathnest!
     
    Wie Wind und Wetter jenem Schiff,
    Bist feindlich meinem Werben du,
    Und kalt wie Schnee auf jenem Riff,
    Wo Möven finden Rast und Ruh’;
    Ob kalt wie Fels, wie Meerfluth trüb:
    Zu dir doch komm’ ich, Isla’s Maid –
    Im Grab nur oder deiner Lieb’
    Ist Heimath mir und Seligkeit!
     
    Wo dieser Aufschwung verhindert oder unmöglich gemacht worden ist oder wo er nur flügellahm von statten geht, da hat die Liebe von vornherein ihr Heimathsrecht eingebüßt, und keine Kunst, keine Geistescultur und keine sonstigen Vorzüge können ihr das Verlorene zurückgeben. Die Liebe ist ein sehr einfaches, aber kraftvolles Gefühl. Sie hat ein Anrecht auf die höchste Verklärung, welche der Geist ertheilen kann, und sie wird, von ihm geschmückt, nur um so herrlicher erglänzen, aber sie kann im Nothfalle auch dieses Schmuckes entrathen, ohne in ihrem Wesen geschädigt zu werden. Aber nicht bestehen kann sie, ohne ihre Nahrung zu ziehen aus jener gesunden, einfachen und straffen Seelenstimmung, welche die bequeme Verwöhnung und das ihr folgende innere Erschlaffen in ihrem innersten Bestande angreifen und verändern.
     
    Als kühn beim Trommelwirbelklang
    Der Krieger vorn im Treffen stand:
    In seinen Traum dein Bild sich schwang,
    Und gab die Schlacht in seine Hand.
    Die Kindlein beim Drommetenschall
    Sieht er sich schaukeln auf dem Knie, –
    Dann stürmt er los zum Feindeswall
    Und bricht hindurch für dich und sie!
     
    sagt der englische Dichter Alfred Tennyson und bezeichnet mit seiner Strophe jenes kraft- und machtvolle, jenes siegreiche und unwiderstehliche Nachaußentreten der Liebe, welches nur eine Folge dieser einfachen und   straffen Seelenstimmung ist. Jedes dürftige Kind des Volkes, blaß und müde von seiner Hände Arbeit, das den Ertrag derselben als sein einziges materielles Gut unbedenklich seinem Liebsten opfert, steht der Substanz der Liebe näher, als die geist- und lebensprühende junge Dame der vornehmeren Kreise, die uns mit dem tiefsten Verständnisse eines Robert Schumann oder Franz Lißt entzückt, aber von der Liebe nichts weiter begreift, als daß sie die Krönung ihrer gewohnten Genüsse und die Erfüllung ihres Wohllebens sein müsse, jedenfalls aber nicht ohne dieselben gedacht werden könne.
    Die Liebe aber ist die Poesie des Weibes. Jede Einbuße an der Ersteren ist auch eine Einbuße an der Letzteren bis zur völligen Vernichtung. Im tiefsten Grunde ihres Wesens ist daher das Kind des Reichthumes, die Tochter unserer durch materielle Glücksgüter ausgezeichneten Stände, auf die das Gesagte Anwendung findet – und auf wie wenige findet es nicht wenigstes theilweise Anwendung – eine unpoetische Erscheinung und Wesenheit. Wie sehr sie auch über Geist und Witz und Phantasie verfügen und äußere Vorzüge und Talente aller Art zu einem blendenden Gesammtbilde vereinen mag, das alles wird nur einen sehr dürftigen Beobachter und ein sehr bestechliches Urtheil über ihren Hauptmangel hinwegtäuschen. Diesen unersetzlichen Mangel aber faßt das eine Wort zusammen: die Tochter der verwöhnten Stände ist dem Schicksale ausgesetzt, nicht lieben zu können. Ist damit auch kein absolutes Muß ausgedrückt, das überall volle Anwendung findet, so bezeichnet es doch die Richtung, die mit

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