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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eine solche Gegenrechnung auch gar nicht vermeiden. Diese würde alsdann die Gefahren der Halb- und Ueberbildung, der künstlichen Dressur für die Gesellschaft und ihre Ansprüche, der Zustutzung unseres Gefühlslebens nach den Gesichtspunkten der Convenienz, der Entwöhnung, Geist und Seele unmittelbar aus dem frischen Born der Natur zu speisen, der Abhärtung gegen die Lüge etc. zu berücksichtigen und nach diesen und ähnlichen Gesichtspunkten schließlich eine Bilanz aufzustellen haben.
    Es ist ein Zug der gegenwärtigen Zeit vorhanden, welcher darin liegt, daß in ungleich erhöhtem Maaße gegen frühere Zeiten ein sehr gesteigerter Begriff des Wohllebens als Ideal des Lebensinhaltes die Gemüther beherrscht. Blicken wir in die Gesellschaft, und zwar nach welcher Richtung es immer nur sei, untersuchen wir, welche Schicht wir wollen, diejenige,   deren Beruf das Geld ist, wie ebenso diejenige, deren Beruf Kunst und Wissenschaft ist, wir finden kein schärferes, kein allgemeineres Gepräge, als eine große Verehrung des Wohllebens. Und zwar fast durchgehend in der völlig trivialen Form desselben – prächtige Wohnung, Kleiderstaat, Equipagen, Villa’s, Diners, Badereisen etc. – oder so viel davon erreichbar ist – vor Allem aber äußerte Bequemlichkeit und in steigendem Maaße das Bedürfniß, alles sammelnde Thun ablehnen zu dürfen und immer auf’s Neue der Erholung leben zu können. Zu anderen Zeiten ist, wie ja zugegeben werden muß, theilweise viel toller gewirthschaftet, viel excentrischer mit den Mitteln, welche der Reichthum an die Hand giebt, umgesprungen werden. In höherem Grade waren in manchen Perioden Zuchtlosigkeit, Schwelgerei, Raffinement des Genusses unter den bevorzugten Classen verbreitet, leichtsinniger und rücksichtsloser wurde die Lebenskraft in ihrem Dienste verschleudert. Seit durch den Industrialismus die Verschiebung des Reichthumes an die mittleren Classen begonnen hat, ist jene andere, schwerfälligere, solidere Art des Wohllebens in den Vordergrund getreten. Mehr Ehrbarkeit, weniger Kraft, mehr Materie, weniger Geist, mehr Langeweile, weniger Frivolität.
    Mit seiner ganzen Schwere lastet dieser Zustand der Dinge vor Allem auf dem weiblichen Geschlechte. Das Weib der mehr oder minder vornehmen Gesellschaftsclassen ist es, welches am ungünstigstes dadurch beeinflußt wird, weil das Wohlleben in der geschilderten Form sich ihm als ein pasiv zu erduldender Zustand gegenüberstellt. Der Mann, von dem herrschenden Triebe der Verehrung des höchst gesteigerten Wohllebens erfaßt, hat vielleicht alle Spannkraft des Geistes, alle Arbeitskraft, welche seine Natur aufzubieten vermag, für die Beschaffung und Vermehrung der materiellen Mittel des Reichthums anzuwenden. Er macht sich ein Strebensziel aus dieser aufregenden und verzehrenden Jagd, für ihn ist das eine Gymnastik, was seine Frau und die Familie außerhalb des Bereiches aller sittlichen Gymnastik stellt. Es handelt sich daher vor allen Dingen um den weiblichen Nachwuchs, der die Verwöhnung des Daseins in tausendfältigen Formen von kleinauf ruhig über sich ergehen lassen muß, und dem die Ge wöhnung an die Ver wöhnung vollständig zur anderen Natur wird. So unvermerkt und selbstverständlich macht sich diese Gewöhnung, daß es gar keinen Widerstand, kein Zurwehrsetzen dagegen giebt, selbst wenn die Natur dazu aufgelegt wäre. Aber wie wenige   Naturen sind dazu überhaupt aufgelegt, in wie wenigen regt sich der Geist des Widerspruches, wenn der bequeme Schmeichelbetrug, daß verwöhnte Lebensgewohnheiten und die materielle Möglichkeit dazu ein wirklich vornehmbares Lebensprincip repräsentiren, von allen Seiten auf sie eindringt. Rechnen wir dazu noch die Kraft jenes kühlen Rechenexempels, welches jedem Kinde unserer Tage, männlichen oder weiblichen Geschlechtes, vollständig geläufig ist, daß alles dies lediglich vom Geldbesitze abhängt, so ist das Ergebniß keineswegs ein wunderbares. Dieses Ergebniß aber ist, daß jedes junge Mädchen der höheren Gesellschaftskreise schon sehr früh die Vortrefflichkeit, Schönheit und Unentbehrlichkeit bequemer, ja äußerst bequemer Lebensverhältnisse als ein, wenn nicht höchstes, doch kaum hoch genug zu veranschlagendes Gut schätzen lernt und die völlige Unerläßlichkeit begreift, in dieser Beziehung jedenfalls gedeckt dazustehen. Diese Lebensweisheit wird unendlich früh erworben, wie sie durch die frühesten Eindrücke geweckt und befestigt wird. Und diese

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