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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aber sind seitdem mehr als hunderttausend Jahre, vielleicht viele Hunderte von Jahrtausenden verflossen, und es muß im Gegensatze dazu sehr komisch erscheinen, wenn noch heute unsere Kalender die »Erschaffung der Welt nach Calvisius« vor 5823 Jahren geschehen lassen. –
    Wie die Organisation der Geschöpfe von Stufe zu Stufe überhaupt eine vollkommene wird, so sehen wir auch die seelischen Gefühle sich immer deutlicher entwickeln, immer bestimmter hervortreten. Und zwar nicht erst, wenn dem Körper eine unabhängige, freie und unwillkürliche Bewegung gestattet ist, beginnen diese Gefühle ihre Thätigkeit, sondern schon bei der Koralle und den anderen Thierarten, welche an die Stelle gebunden und geheftet sind, bemerken wir seelische Bewegungen, welche auf die Empfindungen von Freud und Leid schließen lassen. Sicher läßt sich annehmen, daß die Liebe mit ihren verschiedennamigen Abstufungen, mit all’ ihren Verneinungen und Negationen ihre individuelle Thätigkeit, ihr subjectives Wirken schon bei diesen niedersten der Thierformen beginnt und bei jeder höheren Stufe steigert und erweitert.
    Wenn wir die Stufenleiter der thierischen Wesen überblicken, so machen wir in Beziehung auf die seelischen Empfindungen derselben eine Entdeckung, die sich bei jeder neuen Stufe wiederholt: Sobald nämlich sich eine neue, höhere Stufe gebildet hat, haben die Individuen derselben um ihr Bestehen mit den zurückliegenden Formen zu kämpfen, und es erhebt sich eine Feindseligkeit, welche, durch Jahrtausende fortgehend, schließlich mit der Ausrottung, mit dem Verschwinden der vorangehenden Stufen endigt. Je entwickelter die Arten sind, desto auffälliger tritt diese Erscheinung an den Tag und desto schneller geschieht diese Ausrottung. Jede höhere Art zeigt sich als Feind der niederen Art, aus der sie doch entstanden ist, und so dürfen wir uns nicht wundern, der Mensch, als höchste irdische Daseinsstufe, sich zu den irdischen Geschöpfen in Feindschaft   gestellt hat. Es ist ihm die Idee gegeben, daß er Herr der Schöpfung sei und sie für einen speciellen Nutzen dominiren könne. Diese Idee ist die größte Feindin seiner Mitgeschöpfe, die wir um so schneller von der Erde verschwinden sehen, je näher sie mit ihr in Verwandtschaft stehen. Eine Ausnahme von dieser Regel giebt es nicht, und wenn gesagt würde, daß ja grad’ die niedersten Thierformen in unzähligen Mengen vorhanden sind, obgleich sie längst ausgestorben sein müßten, so wird dieser Einwand sehr leicht durch die Bemerkung beseitigt, daß diese Thiere eben in einer so außerordentlichen Menge vorhanden gewesen sind, daß ihre jetzige Zahl eben nur die Wahrheit unserer Behauptung beweist.
    Hat sich dann die neuentstandene Stufe so weit entwickelt, daß ihre Individuen zahlreich genug sind, sich gegenseitig in ihren verschiedenen Interessen beeinträchtigen zu können, so beginnt zwischen ihnen eine Feindseligkeit, welche ihre Kräfte von dem Kampfe gegen ihre Vorfahren einigermaßen abwendet und diesen Zeit zu einer kurzen Erholung bietet, die aber nichts weiter bildet, als einen kurzen Unterbrechungspunkt in dem Prozesse des allmäligen Verschwindens.
    Je niedriger die Stufen sind, desto rücksichtsloser, grausamer und wilder wird dieser Vernichtungskampf betrieben, und nur die fortschreitende Entwickelung führt nach und nach zu der Erkenntniß, daß alles Bestehende soweit seine Berechtigung habe, als die ihr verliehene Aufgabe eine noch unvollendete ist und es die Mitgeschöpfe in der Lösung der ihrigen nicht stört und benachtheiligt. So sind zahlreiche Arten und Gattungen verschwunden, welche in unzähligen Mengen vorhanden waren, und so gehen auch die gegenwärtigen Formen, sobald sie sich nicht unter die Herrschaft des Menschen fügen, ihrem allmäligen Untergange entgegen. Die Liebe zur eigenen Art zeigt sich stets als Feind zu anderen Arten, das ist das große Entwickelungsgesetz, welchem alle organischen Wesen unterworfen sind.
    Dieses Gesetz findet auch auf jedes Sonderverhältniß seine Anwendung, auf die Nation, das Volk, den Stamm, die Familie und jeden Einzelnen. Darum so viel Feindschaft, so viel Haß, Hader, Streit und Unfrieden unter den Geschlechtern der Menschen. Und weil nur die Entwickelung der höheren geistigen Einsicht zu der Erkenntniß führt, daß Friede und Eintracht die höchsten Güter der Nationen sind, so finden wir die Negationen der Liebe um so thätiger, je weiter wir in die Geschichte zurückblicken.   Die

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