Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Bedeutung des Ganzen genau wiedergiebt.
Wir können das Wort Prostitution nur etwa so übersetzen, daß es soviel heißt, als: Sich in Kauf setzen oder bereit stehen.
Durch die Gewohnheit ist man dahin gekommen, das Wort in seiner Bedeutung nur da anzuwenden, wo es sich um den Verkauf des Körpers handelt, wo es darauf abgesehen ist, das schändliche Gewerbe öffentlicher Frauenzimmer zu bezeichnen, welche gegen Entgeld ihre Reize Jedem feil bieten, der es verlangt.
Wie wir schon oben sagten, gab es so lange keine Prostitution, als das Weib den Regungen seines Herzens oder der Sittlichkeit folgte, ohne vom Manne mehr zu verlangen, als die Stillung seiner Triebe. Erst in dem Momente, als das Weib Bezahlung forderte für das Vergnügen, das es dem Manne bereitet, als es, auch ohne das Bedürfniß zu empfinden, sich dem Manne aus Gewinnsucht preisgab, fing es an, sein Geschlecht zu entwürdigen, indem es seinen Körper zum Gegenstande eines Geschäftes machte.
Die Prostitution wird in zwei Klassen eingetheilt. Erstens in die normale Prostitution, bei welcher die Vermischung der Geschlechter auf naturgemäße Weise erfolgt, und zweitens in die anomale, bei welcher die Vermischung der Geschlechter in unnatürlicher Weise stattfindet. Diese letztere zerfällt wieder a) in die Päderastie (zwischen Männern), und b) in die Tribadie (zwischen Frauenspersonen). Außerhalb dieser Eintheilung steht das widernatürlichste aller Laster: die Sodomie oder die Thierliebe, welches beiden Geschlechtern gemeinsam ist.
Die Prostitution tritt uns im Alterthum unter drei Hauptformen entgegen, nämlich als gastliche, religiöse und legale Prostitution.
Alle diese Formen entsprechen der verschiedenen Lebensepochen der Völker.
Betrachten wir zuerst die Epoche der gastlichen Prostitution, die bei allen Völkern des Alterthumes in großem Ansehen stand und noch jetzt bei einzelnen Nationen geübt wird.
Als der Mensch noch einsam in den Wäldern lebte, von Feldfrüchten sich nährend, oder von den Erträgnissen der Jagd, als er tage- und wochenlang in Bergen und Thälern umherstreifte, ohne seines Gleichen zu finden, da war es wohl natürlich, daß er, ermüdet von seinem Umherstreifen, geplagt von Hunger und Durst, mit wahrhafter Freude den aufwirbelnden Rauch begrüßte, der auf einsamer Steppe ihm schon in der Ferne das Dasein einer menschlichen Hütte anzeigte. Mit sehnsuchtsvollem Verlangen strebte er darnach, den Ort zu erreichen, an welchem es ihm vielleicht nach Monaten wieder vergönnt sein würde, mit Seinesgleichen Worte und Gefühlsäußerungen auszutauschen.
So erfreut der einsame Wanderer war, wenn er eine einsame Hütte fand, in der er sein Nachtlager aufschlagen konnte, so herzlich wurde er als Gast empfangen, wo er unvermuthet eintraf, und seine Ankunft wurde stets als eine gute Vorbedeutung angesehen, sein Eintritt war gesegnet und glückverheißend.
Zur Vergeltung des glücklichen Einflusses, den der Fremdling mit auf das Haus üben sollte, dessen Dach ihn als Gast barg, wurde er allen Hausgenossen ein Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit, und so natürlich man es fand, den ermüdeten Fremdling mit Speise und Trank zu stärken, so natürlich fand es auch der Hausherr, wenn er seinem Gaste das Lager seiner Frau und diese selbst ihm anbot.
Und ohne zu erröthen, ergab sich das Weib willig dem Fremdlinge und suchte sich demselben so angenehm als möglich zu machen, theils um ihre Eitelkeit zu befriedigen, theils auch beim Abschiede auf ein reichliches Geschenk hoffend, abgesehen davon, daß auch der Reiz der Abwechselung das seinige dazu beitrug, daß sie dem Gaste sich von ihrer liebenswürdigsten Seite zeigte.
Noch ein anderer Beweggrund veranlaßte den Manne damaliger Zeit, seine Weiber und Töchter jedem Fremden zum Beischlaf anzubieten. Die Hoffnung auf eine edle und ruhmreiche Nachkommenschaft war es, welche ihn zu dieser Handlungsweise bestimmte, denn nach den damaligen Begriffen stiegen nicht selten die Götter in Menschengestalt zur Erde herab und vermischten sich mit den Töchtern des Menschengeschlechtes. Die Ueberlieferungen der alten Mythologien geben uns viele Beispiele hierfür, und mit Recht darf man annehmen, daß der Glaube an das Menschwerden der Götter viel zur Verbreitung der gastlichen Prostitution beigetragen hat.
In welcher Form und in welchem Umfange die gastliche Prostitution bei einigen Völkern noch jetzt geübt wird, werden wir in einem späteren Kapitel erörtern.
Betrachten
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