Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
entdeckten, ihr Recht gab. Ein solches Mädchen war nach den Gesetzen nicht nur von allen Strafen befreit, sondern auch berechtigt, die Ehe von ihrem Verführer zu sondern. Im zweiten Buche Mose, Kap. 22 V. 16 und 17 finden wir eine hierauf bezügliche Stelle, welche also lautet: Wenn Jemand eine Jungfrau berührt, die noch nicht vertraut ist, der soll ihr geben ihre Morgengabe und sie zum Weibe haben. Weigert sich aber ihr Vater, sie ihm zu geben, so soll er Geld darlegen, wie viel einer Jungfrau zur Morgengabe gebühret.
Wurde bei der Verführung Gewalt gebraucht, so galt dasselbe Gesetz mit dem Zusatze, daß der Verführer dem Vater fünfzig Seckel Silber erlegen mußte. Es war dies die höchste Summe, um die man damals die Bräute verkaufte.
Wie wir schon Eingangs dieses Kapitels erwähnten, herrschte in den ältesten Zeiten unter den Juden die gastliche Prostitution. Die Vermuthung wird bestärkt durch eine Stelle im 1. Buch Mose, welche uns erzählt, daß zur Zeit Noa’s die Söhne Gottes oder die Engel zur Erde herabgestiegen seien.
Diese Engel kamen des Abends und suchten Schutz unter dem Dache eines Patriarchen: als sie wieder weggingen, ließen sie, je nachdem sie mit dem, was sie gefunden, zufrieden waren, lebendige Andenken zurück.
Wie sehr die Laster und Leidenschaften die Menschen beherrschten, das sehen wir ferner aus dem Schicksale der Städte Sodom und Gomorrha. Dort wurde sogar die Gastfreundschaft nicht mehr geachtet, das Heiligste, was es bei den alten Völkern gab; denn die Einwohner wollten den Engeln Gewalt anthun, welche in Lot’s Hause abgestiegen waren, um dort die Nacht zu verbringen. Man forderte ihre Auslieferung und obwohl Lot sie beschwor, der Fremden zu schonen, obwohl er ihnen seine beiden Töchter anbot, nur um die Ehre der Gastfreundschaft zu retten, versuchten die Leidenschaftlichen doch das Haus zu stürmen und sich der Fremden mit Gewalt zu bemächtigen. Das Schicksal der beiden Städte ist zu bekannt, als daß es sich verlohnte, hier weiter darauf einzugehen.
Wie tief jedoch die Bewohner derselben in den Schlamm des Lasters versunken waren, ist dadurch bewiesen, daß man jene geschlechtliche Ausschweifung, welche sich bis zur Vermischung des Menschen mit dem Thiere erniedrigt, Sodomiterei geheißen hat. Dieses letztere Verbrechen herrschte so sehr unter den Juden, daß Moses Todesstrafe darauf setzte.
Obwohl die jüdischen Gesetze es den Töchtern Israels verboten, ihre Körper den Lüsten der Männer feilzubieten, so vermochten doch alle Verordnungen, welche dagegen erlassen wurden, dem Fortschritte der Ausschweifungen keinen Einhalt zu thun. Selbst Väter boten ihre Töchter feil und die Habsucht der Priester empfing die Versöhnungsopfer bekehrter Buhlerinnen. Die feilen Weiber saßen an den Tempeln und an den öffentlichen Wegen und luden die Vorübergehenden zum Mitgehen ein.
Ein Beispiel hierfür, wie für die Autorisation, welche die Prostitution durch die Gewohnheit erhalten, finden wir im 1. Buche Mose, Kap. 38 verzeichnet. Ein Mann, Namens Juda, hatte zwei seiner Söhne der Reihe nach mit einem Mädchen, Thamar genannt, verheirathet. Diese beiden Söhne waren kinderlos gestorben, und die Wittwe hoffte, daß Juda sie mit Sela, seinem jüngsten und letzten Sohne verehelichen würde, was dieser jedoch aus der Besorgniß nicht that, Thamar könne unfruchtbar sein; er suchte im Gegentheil seinem Sohne anderweitig ein Weib.
Thamar erfuhr dies, und war auf ihren Schwiegervater deshalb erzürnt; sie ersann ein eigenthümliches Mittel, um diesem zu beweisen, daß sie Mutter werden könne. Da sie wußte, daß er gen Timmath hinaufgezogen war, seine Schafe zu scheeren, zog sie ihre Wittwenkleider aus, bedeckte sich mit einem Mantel, verschleierte ihr Angesicht und setzte, sich auf den Weg an der Straße, den Juda passiren mußte. Als dieser sie mit verhülltem Antlitz bemerkte, hielt er sie für eine Prostituirte und bat sie um die Erlaubniß, mit ihr gehen zu dürfen. Als sie ihn fragte, was er für ihre Gunstbezeugung geben wolle, versprach er ihr einen Ziegenbock aus seiner Heerde; Thamar verlangte als Unterpfand, bis er sein Versprechen erfüllt haben würde, seinen Ring, seine Armspangen und seinen Stock.
Nachdem Juda die Umarmungen Thamar’s genossen, entfernte sie sich und zog ihre Wittwenkleider wieder an. Als Juda einen seiner Hirten mit dem Ziegenbock hinschickte, um sein Unterpfand einzulösen, fand dieser Niemand und erfuhr auf seine Erkundigungen,
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