Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
der sittlichen Vollkommenheit erstiegen haben, aber zu beklagen ist Derjenige, welcher den Anfang dieser Vervollkommnung noch nicht überschritten hat.
    Allerdings sollte, wenn wir Christus im vorhergehenden Abschnitte den Punkt nannten, von welchem aus die Strahlen der Liebe hinausgehen in alle Länder, in alle Völker, damit nicht behauptet werde, daß mit Christo die absolute Liebe in die Welt gekommen, daß in seiner Lehre die alleinige   Möglichkeit der Erkenntniß der Liebe gegeben sei; aber mit seiner Friedensverkündigung begann der Tag zu grauen, dem keine Nacht folgen wird; der Tag, dessen Helle sich immer steigert, vor dem die Finsterniß immer weiter zurückweicht und eine glückverheißende Morgendämmerung ihre segensvollen Kreise immer weiter wirft. Und diese Kreise beziehen sich nicht blos auf die örtlichen, sondern auch auf die zeitlichen Verhältnisse. Immer weiter hinaus in die Länder und Zeiten treten die Rechte des Menschen in ihre Berücksichtigung; der Mensch ist nicht mehr eine Waare, ein Mittel für die Zwecke Anderer, sondern der Inhaber heiliger Berechtigung, und die Anerkennung dieser Berechtigung ist das große Werk der Humanität, als der schönsten, der besten, der unverfälschesten Offenbarung der Liebe.
    Predigt Liebe so viel, so oft und so weit Ihr wollt nach Euren Dogmen, Farben und Formen, Ihr werdet doch nur dem geistigen Dunkel in die Hände arbeiten; aber widmet Euch mit Wort und That dem großen Werke der Humanisirung, so seid Ihr die echten Jünger und Priester der Liebe.
    Diese Humanisirung hat sich je länger desto mehr als ununterdrückbar geltend gemacht, und selbst in den Verhältnissen, in denen die Liebe, die Hingebung eine bezahlbare Waare ist, trat mit der Zeit eine immer größere Verfeinerung, eine größere Benachsichtigung, eine größere Berücksichtigung des menschlich Guten neben dem moralisch Verderbten hervor.
    Wir erinnern hierbei an die galanten Verhältnisse des Mittelalters. Der mit der Religionsschwärmerei vermischte Geist des Ritterwesens erzeugte die Troubadours, diese so genannten Dichter, welche mit Pfauenfedern geschmückt, sich oft an den Höfen der Großen in poetische Wettstreite einließen, und die bald in Ritterromanen die Thaten tapferer Ritter besangen, bald in kleineren Liedern ihre eigenen Empfindungen, die ihnen die Reize des schönen Geschlechtes einflößten, schilderten. Beide Gattungen hatten aber immer die lebhafteste Schilderung des weiblichen Geschlechtes mit einander gemein, und ihre Gesänge athmeten nur gar zu oft südliche Ueppigkeit und naive Begierde. Für die Geschichte der Liebe im Mittelalter sind die Troubadours höchst wichtig.
    Diesen Troubadours besonders verdankte das Mittelalter die berühmten »Gerichtshöfe der Liebe«. Diese Gerichtshöfe hatten nicht blos Präsidenten, welche fast immer Könige, Fürsten und berühmte   Prinzessinnen waren, sondern sie waren überhaupt wie die ersten Parlamente der Nation organisirt. Ihrer ursprünglichen Bestimmung nach sollten sie eigentlich nur über die Proben der Liebe sprechen, die sich Liebende einander auferlegt hatten. Aber ihre Gerichtsbarkeit erweiterte sich allmälig so weit, daß sie über die Rechte der Männer und Weiber entschieden, neue Gewohnheiten einführten, und andere als Mißbräuche abschafften; insbesondere aber beschäftigten sie sich damit, die Natur und das Wesen der Liebe, die Vollkommenheiten und Gebrechen der Schönen, die Rechte, Verbindlichkeiten und Aufopferungen der Liebenden mit einer Spitzfindigkeit und Feinheit zu untersuchen, die selbst den geübtesten Dialektikern Ehre gemacht hätte. Als Beispiel einer solchen Untersuchung kann der Streit angeführt werden, der darüber entstand: ob ein eifersüchtiger Liebhaber, der durch den geringsten Anlaß beunruhigt wird, oder ein zuversichtlicher, der gar kein Mißtrauen in seine Geliebte setzt, eine wärmere Liebe gegen diese hege? Eine Nachahmung von diesen Liebeshöfen war die von Richelieu errichtete Akademie der Liebe, deren lächerliche Beschäftigungen indeß bald aufhörten.
    Eine ähnliche Nachäffung dieser Liebeshöfe war der Orden der verliebten Leidenschaft.
    Die Ritter und Knaben, Frauen und Jungfrauen, die sich zu diesem Orden vereinigten, erhoben die Liebe zu ihrer Gottheit, und die Pflichten und den Dienst der Liebe zu einem wirklichen Gottesdienst. Die Ordensbrüder und Ordensschwestern suchten einander in den Proben ihres Eifers für die Gottheit, die sie verehrten, und

Weitere Kostenlose Bücher