Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Vermögensverhältnisse, Neigung zur Verschwendung und Putzsucht, Sinnlichkeit oder unglückliche Verhältnisse oder auch Verführungskünste dorthin trieben.
Vorzugsweise findet man hier junge Offiziere und ältere Beamte, die nicht selten im Kreise ihrer Freunde Gastmale und Orgien feiern, deren Veranstaltung sie in ihrer Behausung nicht wagen dürfen. Derartige Gastmahle sind natürlich für die Kupplerin, da solcher die ganze Besorgung überlassen werden muß, höchst einträglich.
Zur Verbreitung der syphilitischen Krankheiten tragen diese Absteigequartiere gewöhnlich nicht bei, da es das eigene Interesse der Kupplerin auf das Strengste erheischt, die Gesundheit der bei ihnen verkehrenden Frauenzimmer zu überwachen. Das Princip der Polizeibehörde, derartige Institute nur dann aufzuheben, wenn durch sie ein öffentliches Aergerniß bereitet wird, ist daher auch ein durchaus richtiges und praktisches.
Wir gehen nun zur gelegentlichen Prostitution über, und finden in Berlin eine große Anzahl von Frauenzimmern der verschiedensten Stände, die, ohne gerade bis zur erwerbsmäßigen Preisgebung ihrer Körper herabgesunken zu sein, es dennoch nicht verschmähen, sich, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet, für Geld oder angemessene Geschenke einem Manne zu überlassen.
Die sogenannten galanten Frauen sind meistens gebildet, oft den höchsten Ständen angehörige Damen, welche sich nicht selten in ganz behaglichen Umständen befinden, es aber dennoch nicht verschmähen, zur Hebung ihrer Verhältnisse gelegentlich einem oder mehreren Liebhabern ihre Gunst zu gewähren und die in ihre Netze Gefallenen nach besten Kräften auszubeuten.
Am gefährlichsten und raffinirtesten sind unter ihnen die Wittwen. Hauptsächlich treiben die galanten Frauen ihr Wesen in Badeörtern und man findet dieselben daher auch in allen hervorragenden Bädern anwesend. In ihrer Umgebung befinden sich nicht selten erborgte Tanten, Mütter oder Kinder, da sie überall den äußeren Anstand mit Aengstlichkeit zu wahren suchen und sich in die höchsten Kreise einzuschleichen wissen, wozu sie solcher Begleitungen bedürfen.
Die Syphilis bildet auch in diesen Kreisen das Gefolge der Prostitution, und ist hier um so gefährlicher, als derartige Damen, wenn sie einmal angesteckt sind, sich keinem Arzte anzuvertrauen wagen, sondern das Uebel einwurzeln und veralten lassen. In solcher Weise sind schon Männer von Damen angesteckt worden, von denen sie es wahrlich nicht erwarten durften.
Zu den Frauenzimmern, welche gelegentliche Prostitution treiben, sind auch die Bier- und Schänkmamsells zu rechnen, deren es in Berlin eine große Menge giebt; ferner ein großer Theil der in Fabriken arbeitenden Mädchen und vor Allem die Mehrzahl der Dienstmädchen.
Auch die hausirenden Mädchen, welche einen Handel mit Blumen, Obst, Pöklingen, Schwefelhölzern, Parfümerieen und dergleichen Gegenständen betreiben, sind zu den gelegentlichen Prostituirten zu rechnen, denn sie bieten, indem sie in den Häusern umherlaufen, häufig nicht nur ihre Waaren, sondern auch sich selbst feil.
Am gewöhnlichsten tritt diese Erscheinung bei den Mädchen hervor, welche mit Schwefelhölzern handeln, und giebt es unter diesen selbst Kinder von 12 bis 14 Jahren, welche bereits der Prostitution verfallen sind und die sehr oft, da ihre körperliche Unreife den eigentlichen Dienst nicht zuläßt, sich zu anderweitigen Ausschweifungen hergeben. Diese unerwachsenen Mädchen werden nicht selten von ihren Eltern mit Gewalt zur Prostitution angehalten, und mit den ärgsten Mißhandlungen belegt, wenn sie nicht an jedem Abende eine bestimmte Summe Geldes nach Hause bringen. Dies mag auch die Ursache sein, daß in den Krankenanstalten zuweilen zehn- bis zwölfjährige Mädchen sich befinden, welche unzweifelhaft in Folge directer Infection syphilitisch erkrankt sind.
In Wien wurden schon Anfangs des 13. Jahrhunderts »Frauenhäuser« errichtet, und wird in dem Stadtrechte Rudolphs von Habsburg vom 9. März 1296 der »Hübschlerinnen« Erwähnung gethan, die Niemand ungestraft beleidigen durfte. Im 15. Jahrhunderte mußten die »freien Töchter« an der Achsel ein gelbes Tüchlein tragen und wurden bei feierlichen Einzügen officiell zur Austheilung von Blumensträußen benutzt. Ehemänner, die in einem Frauenhause betroffen wurden, mußten bis zur Regierung Ferdinands I., unter welchem die öffentlichen Häuser geschlossen wurden, eine bedeutende Geldstrafe entrichten. Am
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