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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wie die Heiden glaubten, der Tod gebietet, sondern, wie Christus verhieß, das ewige Leben herrscht.
    Die Religion steigt durch die Hülle des Nebels in der ihr eigenen Weise direkt zu Gott empor. Sie glaubt an den persönlichen Weltenherrn und an seine Ewigkeit; das heißt, sie wartet nicht auf die Vollendung der Erkenntnis, die sich nach und nach entwickelt. Sie baut nicht langsam vorwärts schreitende Brücken von hier nach dort, sondern sie schwingt sich in einem einzigen, großen, kühn vertrauenden Bogen hinüber an das jenseitige Ufer, in die urbildliche Heimat alles dessen, was auf Erden nur ein Gleichnis ist. Wer seelische Schwungkraft besitzt, der kann ihr folgen. Wem sie fehlt, der muß warten, bis die Brücke fertig ist, an der die Wissenschaft ununterbrochen baut.
    Anders die Kunst. Wir wissen, daß sie zwischen der Religion und der Wissenschaft vermittelt. Auch sie steigt empor, doch nicht über die Nebel, Schatten und Schemen hinaus. Sie hat das Irdische darzustellen und darf sich ihm also nicht, wie der Glaube, entziehen. Aber sie steht nicht in der Alltäglichkeit, nicht mitten unter den prosaischen Gegenständen, Sachen und Dingen, sondern hoch über ihnen, im Bereiche der Himmelssehnsucht, der Phantasie. In diesem Bereiche schwindet die irdische Vergessenheit. Die Wolken zerreißen von Zeit zu Zeit, und so oft sie es tun, strebt der Blick über sie hinaus nach dem Räthsel-und Sternenmeer der tausend Ewigkeiten. Es nahen sich von dort her Ahnungen. Es kommen Gedanken, die genau betrachtet, die Gestalt von Erinnerungen haben. Der Künstler nimmt sie in Empfang, um ihnen greifbare Form zu geben. Er schaut aus seiner Höhe auf das unter ihm Existierende. Unter seinem Blicke vereinigt sich das Einzelne zum Ganzen; das Zerstreute gewinnt Zusammenhang und es offenbart sich die Leitung und die Führung alles dessen, was geschieht. Er steigt in sein Arbeitsfeld hinab und je näher er ihm kommt, um so deutlicher wird in ihm die Erkenntnis, daß die Wahrheit, das Wesen der Dinge niemals von der Erde stammt, sondern daß diese nur die sinnlich wahrnehmbare, äußere Erscheinung dazu liefert. Dabei sagt ihm aber sein Gefühl, daß es grundfalsch wäre, die Erde deshalb Lügen zu strafen. Auch sie ist wahr, doch eben nur irdisch wahr, ungefähr so, wie das Sinnbild die Wahrheit dessen sagt, was es bedeutet, aber doch nicht ist. Und grad’ die Kunst hat die Aufgabe zu lösen, die scheinbare Wahrheit der Form mit der wirklichen Wahrheit des Wesens in sichtbare Harmonie zu bringen. Bei diesem Bestreben des Künstlers verfeinert und verflüchtigt oder vielmehr vergeistigt sich der Stoff. Er verwandelt sich immer mehr und mehr in zart und duftig materialisierte Seele. Der Künstler empfindet das als ganz selbstverständlich. Er ist zwar erstaunt, doch nicht hierüber, sondern über sich selbst. Denn was durch ihn entsteht, ist ihm vollständig wesensfremd, taucht aber doch aus seinem eigenen Innern auf, um durch seine Hand zum objektiven, vollständig von ihm getrennten Gegenstand zu werden. Er sieht, daß er etwas geschaffen hat, was noch nicht vorhanden war. Und doch war es schon da! Aber wo? Wo kam es her? Aus der ursprünglichen Form, die vor ihm stand? Oder aus ihm selbst? Weder von hierher, noch von dorther; das weiß und fühlt er   ganz genau. Er kennt seine Aufgabe, in das Wesen der Dinge einzudringen, um das Aeußere mit dem Innern in Einklang zu bringen und nun will es ihm plötzlich erscheinen, als ob dieses Wesen gar nicht im Dinge selbst, sondern in weiter, weiter Himmelsferne zu suchen sei. Ist das ein Widerspruch? Oder nicht?
    Es wurde gesagt, daß sich die Erde gegen den Himmel wehrt. Sie tut das besonders durch solche scheinbare Widersprüche. Sie wehrt sich ganz ebenso gegen den Künstler, wenn er, von fernher inspiriert, die schaffende Hand an ihre noch ungestalteten Formen legt, um sie an einst Vergessenes zu erinnern. Sie bemüht sich, ihn zu täuschen. Sie zaubert ihm die schönsten Linien, die herrlichsten Farben vor. Sie versucht durch alles Mögliche, ihn zu berücken und zu fesseln. Bei einem Künstler von Gottes Gnaden wird ihr das nicht gelingen; jeder Andere aber wird leicht auf jene »sogenannte« Kunst hinübergelenkt, die sich nicht mit Ewigkeitswerten befaßt und dennoch oder grad trotzdem bewundert wird. Der sogenannte »Erdgeruch« ist grad in der Gegenwart beliebt. Wolken – – – nichts als Wolken! Der Erde ihr Recht, sogar ihr volles Recht; doch ebenso und nicht weniger

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