Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
auch dem Himmel sein Recht und zwar sein, wie mir scheint, sehr wohlerworbenes Recht! Ich besuchte kürzlich mit meiner Frau ein Konzert der hiesigen königlichen Hofkapelle. Ein fremder Violinist, ein Künstler von Gottes Gnaden, trug ein Solo vor. Am Schlusse gab es stürmischen Applaus; wir beide aber blieben still. Meiner Frau standen die Augen voller Tränen und dann, als die tiefe Ergriffenheit überwunden war, sagte sie: »Mir war, als trügen diese Töne mich hoch und hoch und immer höher empor, bis an die Tür, aus der wir alle stammen. Ich kannte sie. Sie stand weit geöffnet. Die Erinnerung kam. Da war das Stück zu Ende!«
Mein sehr geehrter Herr Redakteur, sehen oder hören Sie irgend ein Kunstwerk, sei es welcher Art immer, und Sie haben das Gefühl, als ob die Wolken sich über Ihnen oder in Ihnen öffneten und die Erinnerung an den Augenblick eines früheren Daseins durch diese Spalte leuchte, so segnen Sie den Künstler, denn er ist ein gottbegnadeter Mann und der Moment, den er Ihnen zeigte, ist Wirklichkeit, ist Wahrheit, ist kein Trug.
Theate r
Schon zwei Wochen ist es her, daß die liebenswürdigste aller Musen sich unter uns befindet. Wir haben also Zeit gehabt, zu prüfen, was sie bringt, und wie sie es bringt. Es liegt uns vollständig fern, Kritik zu üben. Wir freuen uns vielmehr, auch einmal Publikum sein und mit der Kunst verkehren zu dürfen, ohne ihr als Recensent auf die Schleppe treten zu müssen. Man kann recht gut direkt mit ihr verkehren. Es ist nicht immer nötig, sich der Kritik als Mittelsperson zu bedienen. Es gibt sogar Leute, welche behaupten, daß dieser direkte Verkehr sich herzlicher, friedlicher und ersprießlicher gestalten könne, als über das Schreibpult des kritischen Berichterstatters hinweg. Und weil auch wir diese Herzlichkeit in uns fühlen und diese Ersprießlichkeit wünschen, soll das, was wir heut sagen, nicht Kritik sein, sondern eine Freundesstimme aus der Mitte des Publikums heraus, die im Namen Vieler für Alle erklingt.
Wir sind nicht als muntere, schnell vorüberradelnde Touristen, sondern als ernste Heilbedürftige nach dem geschichtlich hochberühmten und landschaftlich schönheitsreichen Schlesien gekommen. Die hiesige Erde, welche an Güte reich wie selten eine andere ist, verspricht uns körperliche Genesung und neue, seelische Hoffnungsfreudigkeit. In der herrlichen Landschaft, die sich um Bad Salzbrunn lagert, vereinigen sich alle Potenzen, denen es gegeben ist, die Hoffnungen zu erfüllen, die uns in diese gesegnete Gegend führten. Diese Potenzen sind nicht nur materielle, sondern auch geistige und seelische. Das hat die Badeverwaltung sehr wohl berücksichtigt, als sie der heiteren erlösenden Kunst Veranlassung gab, in Gestalt eines Kurtheaters und einer täglich wiederholt musizierenden Kapelle sich an der erfolgreichen Aufgabe des hiesigen Ortes zu beteiligen. Es ist wohl nicht nötig, hierauf ganz besonders hinzuweisen, denn es versteht sich ja von selbst, daß diese beiden Institute an einem Kur- und Badeorte neben dem eigentlichen, künstlerischen Zweck vor allen Dingen auch die hygienische Aufgabe verfolgen, die physische Wirkung des Bades durch die psychische wenn nicht einzuleiten, so doch zu unterstützen, zu erleichtern und zu befestigen. Mit anderen Worten: Der Tempel der Kunst soll hier zum Tempel seelischer Befreiung werden. Er soll Licht, Sonnenschein, neues Vertrauen und neuen, heiteren Lebensmut in die Herzen aller Hülfesuchenden strahlen, und wenn die Direktion des Theaters sich dieser ihrer hochwichtigen humanitären Aufgabe bewußt geworden ist, so fragt es sich nur hoch, ob sie den guten Willen und die geeigneten künstlerischen Kräfte besitzt, dieser ihrer Pflicht, die nicht etwa eine leichte ist, gerecht zu werden. Nach dem, was die bisherigen Vorstellungen gezeigt und geboten haben, stehen wir nicht an, diese Frage mit einem rückhaltslosen Ja zu beantworten.
Frau Direktor Ewers ist eine geborene Direktrice. Sie besitzt in hohem Grade die Fähigkeit, mit gebotenen Mitteln das denkbar Möglichste zu erreichen. Und glücklicher Weise ist sie grad jetzt nicht gezwungen, zu kargen. Es stehen ihr Kräfte zur Verfügung, denen an einer so kleinen, abgelegenen Bühne zu begegnen, ich nicht erwartet hätte. Es gehört nicht zum Zwecke dieser Zeilen, Namen zu nennen, aber es wird hier wenigstens ebenso gut gespielt, wie an mancher bedeutend größeren Bühne, und es finden sich unter den Künstlern einige Herren und
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