Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
habe ich mir doch erst an Ort und Stelle geholt. Wirklich in den Geist einer Sprache eindringen kann man nur als Angehöriger des Volkes, von welchem sie gesprochen wird, und wer meine Erzählungen gelesen hat, der weiß, daß ich stets nach dieser, wenn auch der innern, Angehörigkeit getrachtet habe.
Weit weniger hat es mich überrascht, daß meine Bücher als Erziehungsmittel betrachtet werden. Es ist mein höchster Wunsch, nicht nur ein Lehrer meiner Leser und Leserinnen zu sein, sondern ihnen nach und nach ein lieber Anverwandter zu werden, von dem sie überzeugt sind, daß er es herzlich gut mit ihnen meint und sie so glücklich sehen möchte, wie ein Mensch eben zu sein vermag. Und da es ohne Gott kein Glück geben kann, so möchte ich ihnen gern schnell und billig geben, was ich mir während eines nur fünfzigjährigen Lebens unter steten Entbehrungen, Drangsalen und Kämpfen mühevoll errungen habe, nämlich den unerschütterlichen Glauben an Gott und die ebenso unantastbare Überzeugung, daß unser irdisches Leben eine zwar kurze, aber sehr ernste Vorbereitung auf das ewige Jenseits ist. Wer Ohren hat, die Brandung, welche beide trennt, schon hier zu hören, der kann weder das sein, was ich einen bösen, noch das, was ich einen unglücklichen Menschen nenne.
So freut es mich, daß meine Werke von diesem Standpunkte aus in vielen Schul- und Erziehungsanstalten gelesen werden und daß es als ein gutbewährtes Züchtigungsmittel gilt, Ungehorsame bis zu ihrer Besserung von dieser Lektüre auszuschließen. Wenn ich in dieser Weise von meinen Büchern spreche, so geschieht dies wieder durchaus objektiv. Es fällt mir nicht im Traume ein, mir auf das, was ich erlebt und geschrieben habe, auch nur das Geringste einzubilden. Was ich bin, und was ich schaffe, das bin und schaffe ich durch Gottes Barmherzigkeit, und wer den Anker seines innern und äußern Lebens in die Barmherzigkeit des Allgütigen versenkt, der weiß, daß er nichts als nur ein schwaches Werkzeug Gottes und ihm zu unaufhörlichem Dank verpflichtet ist; Dankbarkeit ohne Demut aber gibt es nicht.
Mit dieser Dankbarkeit erinnere ich mich eines Ereignisses, welches ich hier nicht vorenthalten möchte. Es gab in einer berühmten höhern Lehr- und Bildungsanstalt, wo meine Bücher mittags und abends nach Tische vorgelesen werden, mehrere räudige Schafe, bei denen kein Besserungsmittel fruchten wollte. Da bat mich der Obere um meine Photographie. Da er mir den Grund seiner Bitte darlegte, schickte ich sie ihm. Es war allen Schülern ein Fest, das Bild zu sehen; den Betreffenden aber wurde sie nicht gezeigt. Einige Tage darauf teilte mir der Regens mit, daß er seinen Zweck erreicht habe; die Widerstrebenden hatten um Verzeihung gebeten und Besserung versprochen. Am gleichen Tage traf bei mir eine freiwillige Zuschrift von ihnen ein, in welcher sie sich bei mir bedankten und mir versprachen, mich stets in ihr Gebet einzuschließen.
Gebet! Kennt einer die Macht des Gebetes, so bin ich es! Wie oft, wie oft ist es der Fels gewesen, auf den ich mich in der Not gerettet habe! Und wenn meine Erzählungen hier und da Gutes wirken, so habe ich dies nächst Gott nicht mir, sondern den Gebeten meiner Leser zu verdanken. Ich weiß, daß Hunderte von ihnen täglich für mich beten; sie haben es mir geschrieben, und ich schließe sie täglich auch in meine Bitte ein. Wenn so viele den Herrgott bitten, meiner Feder Segen zu verleihen, da kann doch wahrlich ich nicht stolz auf das sein, was ich schreibe! Es sind die Boten Gottes, die mir die Worte bringen. Wenn jeder Autor von diesem Standpunkte aus arbeitete, es gäbe weniger unnütze Bücher, aber mehr Glauben, mehr Liebe und Vertrauen!
Da fällt mir eine arme, blutarme Witwe in Taus in Böhmen ein. Sie schrieb mir, sie sei stets unglücklich gewesen und habe deshalb mit Gott gehadert; da habe ihr Pfarrer ihr meine Werke geborgt, und sie sei still und zufrieden geworden. Nun möchte sie gern wissen, wie ich aussehe; ob ich ihr nicht eine Photographie schicken könne, wenn auch eine alte. Da sie aber wisse, daß das Photographieren Geld koste, so lege sie mir hier alle ihre Ersparnisse bei; ich solle ihr aber ja dafür ein Bild schicken. Sie wolle für mich beten und möchte mich dabei gern vor sich liegen haben. Der Brief enthielt – – einen alten, recht abgegriffenen Guldenschein! Ist das nicht rührend?
Diese arme Witwe bot mir ihr alles für ein altes Bild. Wie viele, viele Leser, und nicht etwa arme,
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