Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
fortfahren. Es ist wirklich ärgerlich, für so reich oder so dumm gehalten zu werden! Damit aber auch der Humor nicht fehle, will ich noch die originelle Bittschrift eines edlen Musensohnes bringen:
»Lieber Old Shatterhand,
Ich bin ganz abgebrannt;
Lös ich den Ehrenschein
Nicht in fünf Tagen ein,
Muß ich Schmul Veit verführ’n,
Ihn mir zu prolongier’n.
Ungefähr achtzig Mark
Macht nur der ganze Quark.
Schick’ sie mir mit Verstand
F.G.R. postrestant.«
Der Fassung dieser Zeilen nach vermutete ich, daß der Bittsteller mich persönlich kenne; seine Handschrift kam mir bekannt vor. Ich suchte und fand dieselbe Schrift auf dem noch nicht eingelösten Schuldscheine, den mir der Sohn eines Freundes als Primaner ausgestellt hatte. Er war ein leichtlebiger aber sonst braver junger Mann und wollte sich damals dem reichen Vater nicht entdecken. Ich that dies jetzt an seiner Stelle; der Vater bezahlte mich und die neuen Schulden, und ich erhielt darauf folgende Epistel:
»Mein lieber Shatterhand,
Du warst bisher bekannt
Mir als verschwieg’ner Mann,
Dem man vertrauen kann.
Doch dieser Illusion
Spricht Dein Verhalten Hohn,
Denn Du hast mich zwar heut
Von dem Schmul Veit befreit,
Jedoch auf eine Art,
Die nicht korrekt und zart.
Dich, der nicht schweigen kann,
Pump ich nie wieder an!«
Man sieht, seine Reime besitzen ganz dieselbe Eigenschaft, wie er selbst: sie sind nicht ganz schlecht, und ich will zur allgemeinen Beruhigung hinzufügen, daß er mich trotz seines fürchterlichen Racheschwures doch wieder »angepumpt« hat, wenn auch nur für sehr kurze Zeit.
Will ich in der Schilderung meiner Leiden fortfahren, so komme ich jetzt zu einer Gattung von Briefen, über welche ich eigentlich ein noch tieferes Schweigen beobachten sollte, als dieser Musensohn von mir verlangte; da dieses Genre aber nicht uninteressant ist und ich keine Namen nenne, so glaube ich keine unverzeihliche Indiskretion zu begehen, wenn ich in halblautem Tone sage, daß die Verfasser dieser Briefe meist Verfasserinnen sind. Diese Verfasser scheinen als Damen die Eigentümlichkeit zu haben, mich für jünger zu halten, als ich bin und sich für meine Person ebenso sehr wie für meine Bücher zu interessieren.
»Wie ist die Farbe Ihrer Haare und Ihres Bartes? Was tragen Sie überhaupt für einen Bart? Welche Augen haben Sie? Singen Sie Tenor, Bariton oder Baß? Von welcher Gestalt sind Sie? Wieviel Kilo wiegen Sie? Rauchen Sie? Spielen Sie Billard, Schach, Skat? Sind Sie musikalisch? Welches ist Ihr Lieblingstanz? Wie gehen Sie am liebsten gekleidet, dunkel oder hell? Welches ist Ihre Leibspeise, Ihr Leibgetränk? Was ziehen Sie vor, die Oper oder das Drama? Schlafen Sie lange? Welcher Klasse fahren Sie?«
So lauten einige der vielen Fragen, welche man mir vorlegt. Ich beantworte sie:
»Ich trage Schnurrbart und Fliege; beide waren, wie auch das Kopfhaar, sehr dunkelblond; jetzt beginnt eine zwar ehrwürdige, mir aber ›gräuliche‹ Färbung überhand zu nehmen, denn ich zähle 54 Jahre, sehe aber 10 Jahre jünger aus. Meine Augen sind graublau. Ich singe ersten und auch zweiten Baß, je nachdem, wohin mich der Herr Direktor stellt. Meine Gestalt ist schlank, sehnig; ich bin
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hoch und wiege 75 Kilogramm. Ich rauche gern und spiele alles, finde aber keinen Genuß dabei. Ich bin musikalisch und geige, blase und streiche die meisten Instrumente, keines aber mir zur Genüge. Ich tanze alle Tänze, doch nur, wenn ich muß; lieber bin ich Mauerblümchen. Dunkelblau ist in Beziehung auf den Anzug meine Lieblingsfarbe. Frack und Chapeau claque können mich zur Verzweiflung bringen. Die Handschuhe sind bei mir stets zu finden, nämlich in der Tasche. Den Regenschirm nehme ich bei verdächtigem Wetter zwar mit, lasse ihn aber nicht naß werden. Jetzt liegt er in Regensburg, und ich wohne in Radebeul bei Dresden. Meine Lieblingsspeise ist Brathuhn mit Reis, mein liebstes Getränk Magermilch. Ich komponiere jetzt selbst an einer Oper, stelle aber ein gutes Drama gleich hoch. Ich schlafe sehr wenig und fahre zweiter Klasse.«
So, das wird für heute genügen! Es gibt aber noch intimere Fragen, z.B. ob ich verheiratet bin, seit wann, ob glücklich oder unglücklich, ob meine Frau eine Indianerin, Perserin, Araberin oder Türkin ist u. dgl. m. Da kann ich denn aus vollem Herzen sagen: Ich bin noch nicht lange verheiratet, aber sehr glücklich. Und da ich dies hier öffentlich erklärt habe, so will ich
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