Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
waren also die alten Ziebolds?« bemerkte Mamsell Laacke, die durch Betonung des Wortes andeuten wollte, daß sie eigentlich von den jungen Ziebolds zu hören gehofft hatte. Die Hulen verstand es auch und fuhr fort:
»Ja, das waren die alten, das heißt, sie waren noch gar nicht alt, so um Mitte Funfzig, aber sie machten es auch nicht lange mehr und starben denselben Winter noch, wo meine Mutter gestorben war. Erst sie, den dritten Weihnachtsfeiertag, wenn es nicht schon der zweite gewesen ist, er aber schleppte sich noch so bis in den März. Sie wissen ja, liebe Laacke: ›Märzensonne und Märzenluft graben manchem seine Gruft.‹ Er war immer schwach auf der Brust.«
»Und da kam denn wohl das Geschäft an die jungen Ziebolds?« fragte jetzt Mamsell Laacke mit allen Zeichen der Teilnahme an den sich rasch häufenden Todesfällen.
»Ja, an die jungen Ziebolds«, bestätigte die Hulen, »das heißt an ihn , denn er hatte damals noch keine Frau. Er war nämlich ein sehr hübscher Mann, und weil er gut reden konnte und eine goldene Brille trug, so sagten sie immer, er sähe aus wie ein Justizkommissarius, und sie nannten ihn auch ›Herr Justizkommissarius Ziebold‹. Das schmeichelte ihm, und er war immer mit Schauspielern und ihren Mamsells zusammen, und eines Tages hatte er eine an dem Hals.«
»Seine jetzige Frau? Ah, ich verstehe.«
»Ja, seine Frau. Da hing denn nun der Himmel voller Geigen. Aber der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht, und es war noch kein Jahr um, da war alles verkauft, und sie kamen in Not, wie mir die Zunzen erzählt hat. Denn ich wohnte damals noch in der Roßstraße.«
Die Zunzen, die trotz ihrer Taubheit das meiste verstanden hatte, nickte mit dem Kopfe.
»Die junge Ziebolden aber«, fuhr die Hulen fort, »das war immer eine sehr resolute Person, und sie wußte bald Rat, und als ich meinen Mann heiratete und wieder hierher in die Klosterstraße zog, da wohnten sie schon auf dem Hohen Steinweg und hatten die Pfandleihe. Nun sehen Sie, liebe Laacke, die Pfandleihe, das war ja noch nichts Schlimmes, und ich sagte damals zu meinem Seligen, daß ich die alten Ziebolds gekannt hätte und daß es sehr gute Leute gewesen wären. Und so kamen wir auch wieder zusammen und besuchten uns. Aber das dauerte ja gar nicht lange, da hieß es: das mit der Pfandleihe, das sei bloß so nebenbei und die Ziebolds liehen Geld auf hohe Zinsen, und sie seien nicht besser als Wucherer und bei zehn Talern müßten die Leute zwanzig Taler schreiben. Und das ist es, warum keiner neben den Ziebolds sitzen will.«
»Bitte, setzen Sie mich neben Herrn Ziebold«, bemerkte Mamsell Laacke mit der ruhigen Haltung einer Äbtissin, die sich hinter dem Schild ihres Rufes und ihrer Stellung gesichert weiß. »Und wen erwarten Sie noch?«
»Herrn Feldwebel Klemm.«
»Ach, der steife, alte Herr mit den Stulpstiefeln, der die Schlacht bei Torgau gewonnen hat. Er streitet immer und trägt eine schwefelgelbe Weste. – Und wen sonst noch?«
»Herrn Nuntius Schimmelpenning.«
»Schimmelpenning!« wiederholte die Laacke, »der Bote vom Kammergericht. Ich entsinne mich. Er soll der Sohn des alten Präsidenten Schimmelpenning sein, nur daß ihm das ›von‹ unter die Bank gefallen ist. Wie kommen Sie nur zu dem , liebe Hulen? Ein wenig angenehmer Mann und so wichtig.«
In diesem Augenblicke zog es wieder an dem Draht, und da die Frau Hulenschen Gesellschaften wie andere Gesellschaften waren, so trat denn auch gerade derjenige ein, von dem eben gesprochen worden war: Herr Nuntius Schimmelpenning. Er war ein starker Fünfziger, mit aufgeworfenen Lippen, die er zusammenpreßte und dann wieder schmatzend mit einem kleinen Paff öffnete, wobei er weiße, wundervolle Zähne zeigte. Der alte Präsident hatte es ebenso gemacht. Übrigens hatte die Laacke recht; er konnte an Aufgeblasenheit und Wichtigtuerei mit jedem Truthahn streiten und sah in die Welt hinein, als ob er wenigstens sein Vater oder gar das Kammergericht selbst gewesen wäre. Er glaubte auch so was.
Frau Hulen stellte nun vor; Schimmelpenning aber, von der Verbeugung der ihm unbequemen Mamsell Laacke nicht die geringste Notiz nehmend, schritt auf die alte Zunzen zu, deren Namen ihm auch genannt worden war, und sagte mit lauter Stimme: »Zunz; bei Graf Voß, Wilhelmsstraße? Entsinne mich; habe Ihren Mann noch gekannt.«
»Ich auch«, sagte die Alte, die aus Respekt vor der stattlichen Erscheinung des Nuntius aufgestanden war, im übrigen aber, gerade weil
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