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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nächsten Vormittag fest. Zugleich dankten sie dem Grafen für den diplomatischen Takt, mit dem er die Verhandlungen geführt habe, woran sich dann die Bitte reihte, wenigstens bis zu Tische bleiben zu wollen. Drosselstein indessen lehnte, Geschäfte vorschützend, ab und empfahl sich, nachdem er noch einmal gebeten hatte, die Nacht von Montag auf Dienstag, »schon um den guten Willen Tschernitscheffs nicht zu verwirren«, zu Ausführung des Unternehmens im Auge behalten zu wollen.
    Gegen Abend kam Seidentopf, und Jeetze wartete, daß der Kartentisch befohlen werden würde. Die Tarockpartie fiel aber aus, ein Zeichen, daß die Generalspflichten schwer auf Bamme zu lasten begannen. Er selber scherzte darüber und suchte sich durch Selbstpersiflierung, die dann wieder mit Übermütigkeit wechselte, die Last etwas leichter zu machen; aber er kam nicht weit damit, und nur als Berndt von der Heiligkeit des Sonntags zu sprechen und, zu Seidentopf gewandt, ein Mal über das andere ein Bedauern auszudrücken begann, daß er, um der Frankfurter Rekognoszierungsfahrt willen, die Kirche, die Predigt und die Verlesung des Aufrufs versäumen müsse, regte sich der alte Widerspruchsgeist in ihm, und er fuhr mit einem in höchster Stimmlage gesprochenen » Ich für mein Teil versäume nicht viel« scharf und trocken dazwischen. Einige Minuten später zogen sich alle zurück, nachdem man noch übereingekommen war, sich am andern Morgen eine halbe Stunde früher als gewöhnlich am Frühstückstische zu treffen.
     
    Und nun war dieser andere Morgen da, und die Glocken des Hohen-Vietzer Turmes klangen durch die winterklare Luft. In dem Herrenhause war alles Leben und Bewegung; die einen rüsteten sich zum Gange in die Kirche, die andern zu der Frankfurter Fahrt. Es fehlten nur noch zehn Minuten an zehn; Krist fuhr vor (wieder die Ponies), und erst Berndt und Bamme, dann Hirschfeldt und Grell bestiegen das offene Gefährt. Nur Lewin und Tubal blieben zurück, vielleicht weil die Sitzplätze des Wagens nicht recht ausreichten, vielleicht auch, um an einem so wichtigen Tage wie der heutige den herrschaftlichen Chorstuhl nicht unbesetzt erscheinen zu lassen. Und jetzt begannen die Glocken zum drittenmal zu läuten, und während mit den Abfahrenden noch Grüße gewechselt wurden, boten die beiden zurückbleibenden Freunde den schon zum Kirchgange bereitstehenden Damen ihren Arm und schritten mit ihnen erst durch die verödeten Gänge des Parkes, dann durch die Lindenallee bis zur Kirche hinauf. Die kleine Seitenpforte war verschlossen, so daß sie heute den Haupteingang benutzen und durch den Turm, wo die Bahre und die gesprungene Türkenglocke stand, in die Kirche eintreten mußten. Diese war schon gefüllt, da jeder in Erfahrung gebracht hatte, daß ein Wort über Krieg und Frieden von der Kanzel gesprochen werden sollte. Nur der Majorsstuhl dicht vor dem Altar war leer wie immer.
    Renate und die Schorlemmer gingen das Mittelschiff hinauf, Lewin und Tubal folgten. Als sie bis in die Mitte waren, bogen sie nach rechts hin in einen Quergang ein, der erst zu einem schmalen Treppchen und mit Hilfe desselben zu dem herrschaftlichen Chore hinaufführte. Hier nahmen sie Platz auf alten, hochlehnigen Lederstühlen und stimmten in das Lied ein, das eben gesungen wurde. Lewin saß am meisten zurück, Tubal unmittelbar hinter Renate und der Schorlemmer, so daß er zwischen ihnen hindurch den Blick auf das große Denkmal und ein paar der vordersten Bankreihen frei hatte. Auf der zweitvordersten Bank saß Schulze Kniehase samt Frau und Tochter. Marie hatte sich mit Renaten leise begrüßt, aber seitdem von ihrem Gesangbuche nicht mehr aufgeblickt.
    Es war ein schöner Tag; alles sah hell aus, und dieser Eindruck wuchs noch, als die lichte Gestalt unseres Seidentopf auf der Kanzel erschien. Der Gesang schwieg, und nur die Orgeltöne klangen noch leise nach, während alles sich neigte, um, dem Vorgange des Geistlichen folgend, ein stilles Gebet zu sprechen. Nun aber ging es wieder wie Leben durch die Versammlung, aller Köpfe richteten sich auf, und Seidentopf, mit der Rechten sein langes, weißes Haar zurückstreichend, begann: »Andächtige Gemeinde! Der Tag, den wir ersehnt haben, ist gekommen. Vor Wochen und Monaten schon, als Gott auf den russischen Schlachtfeldern sein Zeichen gab, als edle und tapfere Heerführer, den Schein des Ungehorsams nicht fürchtend, im wahrhaften Sinn und Geist unseres Königs zu handeln und den ersten entscheidenden

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