Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
hinter dem sich die große Torwache befand. Der Posten vorm Gewehr schritt auf und ab, sah die Vorüberfahrenden neugierig freundlich an und grüßte mit leichter Handbewegung.
»Ein Glück für ihn«, sagte Bamme, »daß er morgen abend abgelöst ist und nicht mehr an dieser Stelle schildert. Ein hübscher Junge und grüßt uns so freundlich. Es wäre mir leid um ihn.«
Hundert Schritte hinter der Torwacht zweigt nach links hin eine schmale Straße ab. Sie führt auf den Fluß zu, aber ehe sie denselben erreicht, erweitert sie sich zu einem Kirchplatze, auf dem sich grau und turmlos die älteste Stadtkirche erhebt. Ist man an dieser vorbei, so gewahrt man sogleich, wie der Platz sich wieder verengt und abermals Straße wird. Aber nur zwei, drei Häuser zu jeder Seite. Und dann ist man am Kai. In einem dieser Häuser wohnte Turgany. Berndt hatte die Zügel genommen und fuhr vor. Es war ein großes, altes Eckhaus, mit vorspringendem Erker und einem prächtigen Blick auf Platz und Bollwerk. Ein rechtes Aussichtshaus. Berndt, als er angeordnet, daß Krist ausspannen und entweder bis an den Spitzkrug oder doch wenigstens bis an einen alten, schon vorher am Ausgange der Lebuser Vorstadt gelegenen Gasthofe zurückfahren solle, stieg mit Bamme die breite Steintreppe hinauf, während Grell und Hirschfeldt folgten.
Der Justizrat empfing sie herzlich und stellte Othegraven vor, der unruhiger noch als Turgany der Ankunft der Hohen-Vietzer Gäste entgegengesehen hatte. In der Nähe des Fensters war ein Frühstückstisch serviert, an dem man Platz nahm und artigkeitshalber einstimmte, als seitens des Wirts das Ausbleiben Drosselsteins bedauert wurde. Grell, seiner Gewohnheit nach, musterte das Zimmer, das aus der Zeit stammte, wo Gotik und Renaissance sich um die Herrschaft gestritten hatten. Der Erker war noch gotisch, während die großen Wandflächen und insonderheit die Stuckornamente schon auf Etablierung der Renaissance deuteten. Ebenso der Ofen, der auf seinen grünglasierten Kacheln die Geschichte des Tobias darstellte.
»Ein delikater Rauenthaler«, sagte Bamme, »werde mir seinerzeit die Adresse der Handlung ausbitten. Hoffentlich kein Geheimnis. Aber nun zu den Geschäften, meine Herren. Carpe diem. Staunen Sie nicht, Vitzewitz, mich schon wieder auf den Schleichwegen der Klassizität zu betreffen. Umgang bildet, und man ist seiner Gesellschaft etwas schuldig. Aber nun Ihren Plan, Othegraven.«
Othegraven verbeugte sich etwas steif und sagte dann: »Es wird sich, nachdem unser Freund Turgany bereits die Ehre gehabt hat, Ihnen unseren Überfallsplan vorlegen zu dürfen, im wesentlichen nur noch um Kenntnisnahme der Lokalität wie um Festsetzungen hinsichtlich der Zeit handeln, immer vorausgesetzt, daß nicht Ihrerseits, Herr General, Änderungen oder neue Vorschläge beliebt werden. Unterbleiben diese« – Bamme nickte – »so werd’ ich Altes mehr zu rekapitulieren als dem Ihnen schon Bekannten erheblich Neues hinzuzufügen haben.«
»Desto besser. Viele Strähnen verwirren nur. Also repetieren wir unser Exerzitium.«
»So bitte ich Sie denn, Herr General, an dies Erkerfenster herantreten zu wollen. Auch die anderen Herren. Wir haben dann unser Aktionsfeld vor uns, und das wenige, was überhaupt noch zu sagen bleibt, läßt sich wie auf einer aufgeschlagenen Karte demonstrieren.«
Alle hatten sich erhoben und waren in den Erker eingetreten. Othegraven zeigte nach links hin. »Herr General wollen das dritte Haus am Platz bemerken, das größte, scharf an der Kirche vorbei.«
»Ich sehe; das mit den verschnittenen Linden, und das Schilderhaus davor. Es sieht aus wie ein Gasthof.«
»Sehr richtig. In diesem Gasthofe wohnen General Girard und sein Stab. Auch drei oder vier Ordonnanzen. In demselben Augenblick, in dem der erste Schuß fällt, brechen wir, von der Kirche her, vor. Es sind keine zwanzig Schritt. Ehe der General noch den Schlaf abgeschüttelt hat, ist er gefangen. Stab und Ordonnanzen mit ihm.«
»Und dann?«
»Fünf Minuten später müssen auch die Mannschaften in unseren Händen sein, die hier in der Altstadt herum einzeln oder zu zweien und dreien in Bürgerquartier liegen. Wir kennen die Häuser und werden sie vorher umstellen. Für die prompte Durchführung dieser Dinge hoff’ ich mich verbürgen und Ihnen unmittelbar nach Ihrem Eintreffen auf diesem Platze Meldung von dem Vollzogenen machen zu können. Das ist der erste Akt.«
»Und dann?« wiederholte Bamme seine Frage.
»Und dann«,
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