Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Frage:
Wer war die Krautentochter?
Wer war die Krautentochter? Sie war die Erbnichte der in vorstehendem oft genannten Dompröpstin von Bredow, geborene von Kraut, zugleich Heldin unserer Geschichte, das einzige Kind des Obersten und Baron von Kraut, Hofmarschalls am Hofe des Prinzen Heinrich von Preußen.
Über ihn, diesen Hofmarschall von Kraut, zunächst ein Wort.
Carl Friedrich von Kraut wurde 1703 als der Sohn des Geheimen Kriegsrats von Kraut (Bruder des Ministers von Kraut) in Berlin geboren. Als er 1723, nach Ableben von Vater und Oheim, ein sehr bedeutendes Vermögen ererbt hatte – die zweite Hälfte desselben fiel an seine Schwester, die Dompröpstin –, ging er, zwanzig Jahre alt, nach Paris, um in der französischen Armee Dienste zu nehmen, in der er sich alsbald auch hervortat und zum Obersten aufstieg. Näheres über diesen französischen Waffendienst hab ich nicht in Erfahrung bringen können, auch nicht, wie lange derselbe dauerte. Keinenfalls indes wird er über das Todesjahr seiner Schwester hinaus ausgedehnt worden sein, in welchem Jahre (1745) ihn ebendiese Schwester nicht nur zum Vormund über ihre beiden geisteskranken Söhne, sondern auch zum ersten Kurator über das große Bredow- beziehungsweise Krautenerbe bestellte. Dieser seiner Aufgabe sich unterziehend, begegnen wir seinem Namen von 1746 an bis an seinen Tod in den Rechnungs- und Kirchenbüchern des Landes Löwenberg. Er zeigte sich übrigens gleichzeitig beflissen, bei seiner Rückkehr nach Preußen auch in den Staatsdienst oder wenigstens in eine Hofstellung einzutreten, und wurde zu nicht genau zu bestimmender Zeit Hofmarschall am Prinz Heinrichschen Hofe. Wahrscheinlich um das Jahr 50. 1754 finden wir ihn als Taufpaten im Liebenberger Kirchenbuch, und ungefähr um dieselbe Zeit war es, daß er am Hofe der Königinmutter die Bekanntschaft des schönen Fräuleins Else Sophie von Platen machte, mit der er sich bald danach vermählte. Während des zwei Jahre später ausbrechenden Krieges verblieb er nicht bloß in seinem Hofmarschallamte, sondern auch in steter Umgebung der ebenso schönen wie liebenswürdigen Prinzessin Heinrich, gebornen Prinzeß von Hessen-Kassel, die damals noch in keinem Zerwürfnis mit dem Prinzen, ihrem Gemahl, lebte, vielmehr als »La belle fée«, »La Divine«, »L’incomparable« etc. die gefeierteste Dame des Hofes war.
Auch 1760 befand sich von Kraut in unmittelbarer Umgebung der Prinzessin und begleitete dieselbe nach Magdeburg, wohin sich um ebendiese Zeit alles, was zum Hofe gehörte, flüchtete, weil das Vorrücken der Russen und Österreicher ein Verbleiben in der Hauptstadt als mindestens unrätlich erscheinen ließ. In den Tagebuchblättern der Gräfin von Voß, geborene von Pannwitz, begegnen wir vielfach Aufzeichnungen aus jener Magdeburger Zeit, in denen neben anderem auch unseres Hofmarschalls Erwähnung geschieht. Ich gebe die betreffenden Stellen.
»1. September 1760. Ich schrieb heute nach Berlin, aß bei Frau von Kraut , spielte nach Tisch Komet mit dem Prinzen von Usingen, Baron Müller und Kraut und fuhr um fünf nach Hause.
11. September . Als ich frisiert und angezogen war, ging ich zur Prinzessin. Zu Tische war ich bei der Kraut, deren Geburtstag wir feierten. Auch die Knesebeck, Prinz Usingen und Oberst Lilienberg waren zugegen. Alles war in heiterer und übermütiger Laune, und nach dem Kaffee wurde wie immer Karte gespielt.
12. September . Am Abend zunächst in die Assemblé beim Grafen Lamberg, wo ich mit Kraut und dem Prinzen von Nassau eine Partie machte. Von Lamberg aus (wo es sehr voll war) fuhr ich mit Kraut an den Hof. Die Königin war sehr verstimmt. Sie schalt über die großen Aufmerksamkeiten, welche man hier den gefangenen Ausländern erweise.
11. Oktober . Am Abend war ich bei der ›Belle Fée‹, die sehr böse auf Kraut war und ganz mit Recht, denn er hat in den Vorzimmern der Prinzessin aus Sparsamkeit Talglichter anstatt der Wachskerzen brennen wollen.
14. Oktober . Ich ging an den Hof und spielte Komet mit dem Prinzen von Preußen und der Belle Fée. Man erzählte, daß die Prinzessin Amalie zu Mittag bei der Prinzessin Heinrich angekommen sei und sich und ihr das Diner mitgebracht habe, um dem Hofmarschall Kraut einen Streich zu spielen, der zwei Speisen von dem bisherigen Küchenzettel der Prinzessin gestrichen hatte.
22. Februar 1761. Am Nachmittage hatten wir noch eine letzte Probe des Schäferspiels, und um sechs Uhr ging Kraut
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