Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
nach dem Ableben ihres ersten Gatten den holländischen Gesandten de Verelst heiratete, bald indes abermals Witwe wurde) an verschiedenen Stellen Erwähnung geschieht. »Unter den Damen«, so heißt es in dem eben genannten Buche, »die Prinz Heinrich auszuzeichnen pflegte, befand sich auch eine Madame de Verelst, zuletzt Witwe des holländischen Gesandten. Es wurd ihr von seiten Monseigneurs, außer einer an Aufmerksamkeiten reichen Freundschaft, auch ein ganz besonderes Vertrauen bewiesen, was dahin führte, daß sie die Sommermonate beinahe regelmäßig in Rheinsberg zubrachte. Sie war aufrichtig, ernst und überlegend und dabei von einer so durchaus honetten Gesinnung, daß niemand begriff, was sie vordem hatte bestimmen können, einem so langweiligen und übellaunigen Menschen wie dem Baron von Kraut, ihrem ersten Manne, die Hand zu reichen.«
In vollem Gegensatze dazu steht alles, was ihr späterer Schwiegersohn, Baron Knyphausen, über sie sagt. Ihm zufolge war sie nicht bloß »une femme vaine, bornée et détestable«, sondern rundheraus »un monstre«, und nur darin einigen sich beider Urteile, daß sie gut zu repräsentieren verstand, Reste früherer Schönheit aufwies und über den freien und sicheren und, wenn ihr daran lag, auch über den hohen Ton der Gesellschaft eine vollkommene Verfügung hatte.
Une femme adroite nach Thiébault, une femme détestable nach Knyphausen, das war die Frau, der jetzt die Sorge der Erziehung ihrer Tochter oblag, eine Frau, der es unter allen Umständen an der Fähigkeit gebrach, ihrem Kinde mehr zu geben als eine den Rheinsberger Verhältnissen angepaßte Tournüre. Worauf es in ihren Augen ankam, das war, vor »Monseigneur« erscheinen und in der großen Welt ein »sort« machen zu können. Dazu gehörte nicht mehr als eine Kammerjungfer aus dem gelobten Lande Frankreich und ein Tanz- und Sprachmeister von ebendaher. Auch verlautet an keiner Stelle, daß etwas darüber Hinausliegendes jemals ernsthaft gepflegt worden wäre. Das Ernsthafte galt für langweilig und pedantisch und war Sache gewöhnlicher Leute. Freilich, man mußte die »Phèdre« kennen und die »Médée« und die »Mérope«, aber doch auch nur, um ein Zitat des Prinzen verstehen und allenfalls erwidern zu können. Alles hatte nur so viel Wert und Bedeutung, als der Hof gut fand, ihm zuzumessen. In Gunst stehen, reich sein und Einfluß haben war das einzige, das zu leben lohnte. Und wenn es überhaupt Pflichten gab, so war doch erste Pflicht jedenfalls die , von der Sorge kleiner Leute nichts zu wissen und einem Prinzen zu gefallen.
4. Kapitel
Die Krautentochter wird Frau von Elliot
In diesem Geiste ging denn auch der Gang der Erziehung, und es glückte damit so vollkommen, daß schon einige Monate vor der Einsegnung an Charlottens (der Krautentochter) Verheiratung gedacht werden konnte. Die Jugend derselben war kein Hindernis, war doch ihres Vaters Schwester, als sie dem Dompropsten die Hand reichte, nur um ein halbes Jahr älter gewesen. Und überhaupt, war es denn nötig, alt und weise zu sein, um zu heiraten? Gewiß nicht.
Also Charlotte sollte heiraten.
Aber wen?
Das Auge der Mutter richtete sich vor allem auf einen Gesandten . Ein solcher empfahl sich doppelt, einmal, weil es unter allen Umständen eine vornehme Partie war, und zweitens und hauptsächlichst, weil ein Gesandter eine gewisse Garantie bot, über kurz oder lang abberufen und an einem vielleicht weit entfernten Hofe beglaubigt zu werden. Trat dieser Fall ein, so lag ihr , der Mutter, ob, in der Heimat nach dem Rechten zu sehen, sie war dann Herrin aller Güter, viel, viel mehr als die Tochter, die sich mit beliebigen Erklärungen abfinden lassen mußte. Diesem Kalkül entsprach es, daß ihr unter allen Gesandten die britischen am begehrenswertesten erschienen. Ein britischer Ambassadeur war sogar in der Möglichkeit, über das bloß Gesandtschaftliche hinaus, als ost- oder westindischer Gouverneur und Vizekönig seine Tage ruhmvoll beschließen zu dürfen. Und Ost- oder Westindien, welches Ideal von Entfernung!
In der Tat, es war ein Engländer, und zwar der als Nachfolger von Sir John Mitchell am Berliner Hofe beglaubigte Mr. James Harris (später Lord Malmesbury), auf den sich das Auge der Madame de Verelst richtete, bevor ihre Tochter Charlotte noch das fünfzehnte Lebensjahr erreicht hatte. Das war ein Schwiegersohn nach ihrem Sinne! Aber James Harris verhielt sich durchaus ablehnend gegen alles Preußische. »Die
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