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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hinunter und bat die Prinzessin, die Treppe heraufzukommen. In dem Moment, als sie eintrat, ging auch schon der Vorhang auf, und der Chor fing an zu singen…«
    Aus diesen wenigen Tagebuchstellen ergibt sich nicht bloß ein Zeit- und Lebensbild, sondern zugleich auch eine Charakteristik unseres Hofmarschalls. Und nicht zu seinen Ungunsten. Er hatte das Einsehen von einer gerade damals von allen Seiten her hereinbrechenden äußersten Gefahr und empfand sehr richtig, daß in Tagen, in denen der König schrieb: »Es gibt freilich Leute, die sich allen Schickungen unterwerfen, ich aber werd es nicht ; ich habe für andere gelebt, für mich will ich sterben«, ich sage, der Hofmarschall empfand sehr richtig, daß in solchen Tagen eine kleine Prinzessin allenfalls auch ohne Wachslichter im Vorzimmer und mit zwei Gerichten weniger auskommen konnte.
    Die vorgeschilderten Magdeburger Tage verlängerten sich bis in den Spätherbst 61. Erst im November oder Dezember obengenannten Jahres kehrte die Königin mit allem, was zum Hofe gehörte, nach Berlin zurück, allwo denn auch wenige Wochen später, und zwar am 24. Januar 1762, dem Hofmarschall von K. eine Tochter geboren wurde: Luise Charlotte Henriette von Kraut, unsere Krautentochter.
    Über die folgenden fünf Jahre, soweit der Hofmarschall in Betracht kommt, schweigen alle Memoiren und Briefe. Das nächste, was wir von ihm erfahren, erfahren wir aus dem Löwenberger Kirchenbuche, woselbst es unterm 23. Dezember 1767 heißt: »Am heutigen Tage beschloß sein ruhmreiches Leben zu Berlin abends sieben Uhr der weiland hochwohlgeborene Herr, Herr Carl Friedrich Freiherr von Kraut, Hofmarschall im Hofstaate seiner Königlichen Majestät des Prinzen Heinrich und Vormund der beiden geisteskranken Herren von Bredow zu Löwenberg. Er war der Mutter-Bruder dieser beiden von Bredows, ein Herr der edelsten Gemütsart, der vielen Menschen in der Welt, zum Teil durch schwere Kosten, zu zeitlichen Ehrenstellen verholfen und ihr irdisch Glück befördert hat. Er zeigete sich gegen alle Mitmenschen als ein Menschenfreund und war allen, ohne jede Nebenabsicht des Eigennutzes, willfährig und gefällig. Hiervon zeugete insonderheit seine Fürsorge für die Kranken. Er pflegte zur Sommerzeit, wenn er sich auf seinen Gütern aufhielt, eine Menge von Medikamenten aus Berlin mitzubringen. Und wenn sich Kranke bei ihm meldeten und er ihren Zustand erkundet hatte, gab er ihnen die Medikamente, von woher die Kranken auch sein mochten. Am vierten Tage nach seinem Hinscheiden, am 27. Dezember abends, sind die erblaßten Gebeine des wohlseligen Herrn Hofmarschalls in dem Freiherrlich von Kraut schen Erbbegräbnis in der Nikolaikirche zu Berlin beigesetzt worden. Und nachdem dieser Todesfall auf die beweglichste Art der Gemeinde zu Löwenberg am 1. Januar 1768 zur Kenntnis gebracht worden ist, ist darüber zwei Wochen lang auf allen von Bredowschen Gütern geläutet worden. Er hinterläßt eine über seinen Tod betrübte Frau Witwe aus dem hochadligen von Platenschen Geschlecht und eine trotz ihrer frühen Jahre schon hoffnungsvolle Tochter.«
    3. Kapitel
     
    Wie die Mutter der Krautentochter ihre Tochter erzog und wer diese Mutter war
     
    Die Krautentochter war erst fünf Jahre alt, als der Vater starb. Die Erziehung lag also bei der Mutter.
    Wer war nun diese Mutter? Und wie war sie? Wir antworten darauf, eh wir uns der Frage nach der Erziehung der Tochter zuwenden.
    Else Sophie von Platen kam 1748 an den Hof der Königinmutter. Sie mochte damals achtzehn Jahre alt sein. In dem Tagebuch der Gräfin von Voß geschieht auch ihrer Erwähnung: »An die Stelle des Fräulein von Bredow«, so heißt es darin, »die sich mit einem Herrn von Schwerin verheiratete, trat Fräulein von Platen, ein wunderhübsches Mädchen, das aber wenig Geist und eine sehr melancholische Gemütsart besaß.« In diesen wenigen Zeilen wird die junge Dame, die spätre Hofmarschallin von Kraut, sehr wahrscheinlich am zutreffendsten gezeichnet sein. Alles andre, was an Aussprüchen über sie vorliegt, geht nach der einen oder andren Seite hin ins Extrem und widerspricht sich untereinander. Es scheint, daß sie, von einzelnen objektiv urteilenden Personen (wie die Gräfin Voß) abgesehen, nur leidenschaftliche Verehrer und leidenschaftliche Feinde hatte. Zu den ersteren gehörte Thiébault, in dessen immerhin schätzenswertem Werke »Mes Souvenirs de vingt ans de séjour à Berlin« auch der Hofmarschallin von Kraut (die bald

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