Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
1875 ein Anbau, der, rechtwinklig auf die Mitte des alten Baues gerichtet, aus dem einfachen Langhaus ( ) ein Haus in Form eines lateinischen T ( ) herstellte.
Der Anbau selbst empfing mittlerweile den Charakter einer einzigen großen Halle, die, soweit meine Kenntnis märkischer Landsitze reicht, in unserer Provinz ihresgleichen kaum finden dürfte. Vielmehr gleicht sie, soweit Dimensionen mitsprechen, einer mittelalterlichen englischen »hall« und unterscheidet sich von einer solchen nur dadurch, daß ihr, unter Wegfall alles Steifen und Feierlichen, umgekehrt ein heiteres und anheimelndes Ansehn gegeben wurde. Dies geschah einerseits mittelst Aufstellung einer 12 000 Bände zählenden Bibliothek, aber wohl mehr noch dadurch, daß man ebendiesen Raum, unbekümmert um seine Größe, zum eigentlichsten Versammlungs- und Aufenthaltsraum, kurzum zum gemeinschaftlichen Wohnzimmer machte. Hier sitzen die Damen am Schreib- und Maltisch, hier wird gelesen und musiziert, geplaudert und Billard gespielt, oft alles zu gleicher Zeit, und ebendadurch allem jener warme Ton gegeben, ohne den es eine wahre Wohnlichkeit nicht gibt. Ein vorgebauter Pavillon und ein Blick auf den Park unterstützen diesen Eindruck.
Außer diesem Neubau, darin sich das Leben im Schloß oder doch seine gesellige Seite konzentriert, ist es besonders das aus den Tagen des Oberjägermeisters herrührende Treppenhaus, was ein Interesse weckt. Es findet sich hier, auf Podesten und Korridoren, all jener »Urväterhausrat« zusammen, jener Nipp im großen Stil, der den Besuch alter Schlösser so lehrreich und anziehend zu machen pflegt: Uhren mit und ohne Schlag, alte Rüstungen, die dann und wann einen Handschuh oder eine Beinschiene verlieren, Antiquitäten und Kuriositäten und vor allem große, bunt und prächtig geschriebene Stammbäume, die keiner recht liest, als fürchte jeder die Stelle zu finden, wo sein eigener Name hinkommen und zu Zukunftsgeschlechtern sprechen wird.
Auf einzelne dieser Dinge des längeren oder kürzeren einzugehen wird mir im nachstehenden obliegen.
Bilder
Ich beginne mit den Familienbildern.
A. Die Hertefelds
1) Heinrich von H.; trägt die orangefarbene Schärpe der Geusen. Er fiel
1574 in
der Schlacht auf der Mockerheide, die Graf Ludwig von Nassau gegen den Herzog Alba verlor. Brustbild. Kopie nach einem niederländischen Meister von Frau von Esebeck , geborene von Rothkirch, Schwester der Gräfin Eulenburg.
2) Oberjägermeister Jobst Gerhard von H., gestorben 1659. Langes, schwarzes Haar und großer, weißer Fallkragen. Einen Jagdspieß in der Hand. Männlich energische Züge. Sehr gutes Bild. Niederländer.
3) Oberjägermeister Samuel von H., gestorben
1730. In
Ritterrüstung, in der sich Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts Adlige mit Vorliebe malen ließen. Ich erinnere nur an das bekannte Derfflingerportrait. (Vielleicht aber war es auch eine wirkliche Kürassieruniform und nicht eine fingierte Ritterrüstung.) Von Antoine Pesne.
4) und 5) Kammerherr Ludwig Casimir von H. und Frau Luise Susanne, geborene von Beschefer. Beide von A. Pesne.
6) Kammerherr Ludwig Casimir von H.; gestorben 1790. Zweites Bild von ihm. In seinen letzten Lebensjahren von der Madame Teerbusch gemalt.
7) Landrat Friedrich Leopold von H.; gestorben 1816. Derselbe, von dem ich in dem Kapitel »Die Hertefelds« ausführlich erzählt habe. – Weil er – vielleicht der endlosen Sitzungen halber – einen Widerwillen hatte, sich malen zu lassen, existieren nur zwei kleine Profilbilder von ihm: a) eine Silhouette und b) ein Medaillon in Bronce.
8) Luise Friederike Henriette von H., Schwester Friedrich Leopolds; gestorben 1806. Stiftsdame von Stedernburg. Freundin des Herzogs von Braunschweig. Von ihr sind ebenfalls zwei Bildnisse vorhanden: a) ein Ölbild in Phantasiekostüm und b) eine schöne Zeichnung in Rotstift.
Über diese durch Geist und Schönheit ausgezeichnete Dame möge hier das Folgende stehen. Sie wurde 1750 geboren und kam, zu nicht näher zu bestimmender Zeit, an den Braunschweiger Hof, wo sie, bis an ihren Tod, eine Reihe Zimmer im Schloß bezog und ebensolang die vertraute Freundin und Beraterin des Herzogs war. Es blieb ihr, durch ihren am 30. Juli 1806 erfolgenden Tod, der Schmerz erspart, die von ihr empfohlene Politik scheitern und den Herzog selbst (der bei Auerstedt kommandierte) auf den Tod verwundet zu sehen.
Ihr Bruder, Friedrich Leopold von H., hatte eine hohe Meinung von ihr und
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