Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
überlegen lächelnde weiße Huhn (poule blanche) stolz und zärtlich zugleich bewirbt. All dies ist um so leichter aus dem Bilde herauszulesen, als sowohl Huhn wie Hahn Menschenköpfe tragen, deren Züge das in den Tierkörpern Angedeutete bestätigen und unterstützen. Und beide Köpfe sind Portraits. Aber während über den Frauenkopf, oder die »poule blanche«, kein Zweifel waltet (es ist eben das vorgenannte schöne Fräulein von Kalckstein), sind über den erregten Kollerhahn nur Mutmaßungen gestattet. Es werden die verschiedensten Namen genannt, alle mit demselben Anspruch. Und es gilt auch gleich. Als aber die schöne Kalckstein im Sommer 1746, wie das Frl. von Pannewitz uns berichtet, eine Baronin Wylich geworden war und das ihr zu Ehren gemalte Bild mit in die Ehe brachte, ward es ihrem Eheherrn unbequem, Tag um Tag an einen früheren Umwerber seiner schönen Frau gemahnt zu werden, weshalb er erbarmungslos auf Übermalung drang und sowohl Huhn wie Hahn in den ihnen zukommenden Tier köpfen zu sehen wünschte. Dies geschah denn auch, und erst als beinahe hundert Jahre später das reizende Bild aus »Onkel Wylichs« rheinischer Hinterlassenschaft ins Märkische, nach Liebenberg, zurückwanderte, schritt eine geschickte Hand zur restitutio in integrum. Und mit Menschenköpfen, wie’s Pesne ursprünglich gewollt und gemalt, blicken wieder la poule blanche und ihr Umwerber, lächelnd und kollernd, in die Welt hinein.
D. Tierbilder
La poule blanche bildet einen guten Übergang zu den Tierbildern des Schlosses. Diese haben die Repräsentations- und Wohnräume, wenn sie je darin Platz hatten, aufgeben und im Treppenhaus ein Unterkommen suchen müssen, auf dessen Absätzen man ihnen in reicher Zahl begegnet: Schafe, Widder, Hirsche, Rehe, Büffel und Pferde. Sonderbarerweise stellen sie meistens Monstrositäten dar und wurden überhaupt nur gemalt, um irgendeinen abnormen Zustand zu verewigen. Es sind also Kuriosa. Daß sie dennoch mehr interessant als häßlich wirken, ist ein Beweis der ausgezeichneten Technik, mit der sie gemalt wurden. Alle stammen wohl noch aus der Zeit des Oberjägermeisters und lassen die brillante niederländische Schule leicht erkennen.
Werf ich einen Blick auf die Gesamtheit dessen, was an Bildern vorhanden ist, so bleiben nur etwa sechs übrig, die mir als von künstlerischer Bedeutung erschienen sind. Und zwar: La poule blanche von Pesne ; Gräfin Eulenburg, geborene von Rothkirch, von Angeli ; Jobst Gerhard von Hertefeld, mit dem Jagdspieß des Oberjägermeisters (Maler unbekannt); Ludwig Casimir von Hertefeld von der Madame Teerbusch und Minister Graf Eulenburg von Magnus . In dieser Aufzeichnung kommt Pesne, von dem doch so viele Bildnisse da sind, anscheinend zu kurz, aber ich bin nicht imstande gewesen, der ganzen Reihe dieser seiner Arbeiten, außer der mehrgenannten poule blanche, einen Geschmack abzugewinnen. Allerdings ist in Erwägung zu ziehen, daß sie doppelt gelitten haben, und zwar erst durch Übermalung und hinterher durch »Coupieren mit der Schere«. Der alte Hertefeld nämlich entbehrte wie die Zeit, deren Kind er war, alles eigentlich historischen Sinnes und nahm bei dem im Anfange der dreißiger Jahre stattfindenden Umbau die hohen, lebensgroßen und in braune Ledertapeten eingelassenen Ahnenbilder, männliche wie weibliche, nicht bloß aus ebendiesen Tapeten heraus, sondern schnitt sie sich auch, nach dem jeweiligen Bedürfnis einer neuen Zimmereinrichtung, zurecht. Er kannte dabei kein anderes Gesetz als das der Symmetrie, der zuliebe die stattlichen Vollbilder in Brustbild oder Kniestück umgewandelt wurden.
Bücher
Die jetzt in der »großen Halle« befindliche Bibliothek umfaßt, wie schon hervorgehoben, bis gegen 12 000 Bände. Während der Plünderungstage von 1806 ging nachweislich einiges verloren; im ganzen jedoch war der Bücherschaden nicht groß, da sich die Raublust des Feindes auf praktisch verwendbarere Dinge richtete.
Den Anfang einer Bibliothek machte der Oberjägermeister um 1720, von welcher Zeit an sie rasch und beständig wuchs, da sämtlichen Hertefelds, insonderheit denen des vorigen Jahrhunderts, ein literarischer Zug innewohnte. Jeder sammelte natürlich seiner speziellen Neigung entsprechend, wodurch es kam, daß Friedrich Leopold von H. die Bibliothek auf dem Gebiete der Geschichte, Karl von H. auf dem der Nationalökonomie bereicherte. Das Wertvollste wurde aus der Hinterlassenschaft der Stiftsdame Henriette von
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