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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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voll jenes eigentümlichen Zaubers, den immer nur die Begräbnisplätze haben, die sich von aller Kunst fernzuhalten und sich statt dessen an die Natur möglichst eng anzuschließen wissen. Es hat das allertiefste Zusammenhänge mit dem »Wieder-zu-Erde-Werden«, ein natürlicher Prozeß, den wir sowenig wie möglich gestört sehen wollen. Die mehr oder minder zwangvoll herangezogene künstlerische Betätigung, die, je nachdem, ins Museum oder in die Kapelle gehört, wirkt draußen wie Disharmonie. Keine gegossenen Kreuze, mit dem Schmetterling oder dem Engel mit der gesenkten Fackel darauf, haben mich je so tief bewegt wie die Feldsteingräber in Jütland und Schleswig oder hier dies unter Bäumen geborgne »Bensch’sche Grab«. Unvergeßne Stunde, die mich in seine mystisch gezogenen Kreise führte! Die Dämmrung war gekommen, eine Himbeerhecke duftete, tiefer im Walde schlugen die Nachtigallen, und die Mondessichel (ein Ring, eine Linie nur) stand hoch über uns im Blauen.
     
    2. Kleists Grab
    Ein noch größeres Interesse weckt das etwa 1000 Schritt von Dreilinden unmittelbar am kleinen Wannsee gelegene Grab von Heinrich von Kleist . Erst der Prinz erwarb diesen Uferstreifen. Die Stätte selbst ist seit Eröffnung der in geringer Entfernung vorüberführenden Grunewaldbahn eine vielbesuchte Pilgerstätte geworden, und in schöner Jahreszeit vergeht wohl kein Nachmittag, an dem nicht Sommervergnüglinge von Station Neu-Babelsberg her aufbrechen, um, am Wannsee hin ihren Weg nehmend, dem toten Dichter ihren Besuch zu machen.
    Der Weg von Dreilinden her aber ist ein andrer und mündet erst in verhältnismäßiger Nähe von »Kleists Grab« in einen sowohl dem Neu-Babelsberger wie dem Dreilindner Wege gemeinschaftlichen, von Werft und Weiden umstandenen Wiesenpfad ein, der auf die (wie schon hier bemerkt werden möge) sich dem Auge völlig entziehende Begräbnisstätte zuführt.
    An obenerwähntem Einmündungspunkte gesellt ich mich einer »Partie« zu: vier Personen und einem Pinscher, die, den Pinscher nicht ausgeschlossen, mit jener Heiterkeit die, von alter Zeit her, allen Gräberbesuch auszeichnet, ihre Pilgerfahrt bewerkstelligten. Es waren kleine Leute, deren ausgesprochenster Vorstadts- und Bourgeoischarakter mir, in dem Gespräche, das sie führten, nicht lange zweifelhaft bleiben konnte.
    Die Tochter ging ein paar Schritte vorauf. »Er soll ja so furchtbar arm gewesen sein«, sagte sie mit halber Wendung, während sie zugleich mit einem an einer Kette hängenden großen Medaillon spielte. »Solch berühmter Dichter! Ich kann es mir eigentlich jar nich denken.«
    »Ja, das sagst du wohl, Anna«, sagte der Vater. »Aber das kann ich dir sagen, arm waren damals alle. Und der Adel natürlich am ärmsten. Und war auch schuld. Denn erstens diese Hochmütigkeit und dann dieser Kladderadatsch und diese Schlappe. Na, Gott sei Dank, so was kommt nich mehr vor. Davor haben wir jetzt Bismarcken.«
    »Ach, Herrmann«, unterbrach ihn hier die Frau, »laß doch den . Hier sind wir ja doch bei Kleisten. Und arm? Ich hab es janz anders gehört; um eine kranke Frau war es. Und er soll ihr ja so furchtbar geliebt haben.«
    »I, Gott bewahre«, sagte der Mann in einem Ton, als ob es sich um das denkbar Unglaublichste gehandelt hätte.
     
    Während dies Gespräch noch andauerte, hatten wir einen Punkt erreicht, wo der über die Wiese führende Weg ein Ende zu haben schien, bis wir zuletzt, bei schärfrem Hinsehn, eines Fußpfades gewahr wurden, der sich, zwischen allerlei Gestrüpp hin, in einer schmalen Schlängellinie fortsetzte. War das unser Weg? Ein Versuch schien wenigstens geboten, und siehe da, keine hundert Schritt, und wir hatten’s und standen an der Grabstelle, die, seitab und einsam im Schatten gelegen, denselben düstren Charakter zeigte wie das Leben, das sich hier schloß. Auch eine pietätvolle Wiederherstellung der durch viele Jahre hin vernachlässigten Stelle hat an diesem Eindruck nichts ändern können. Ein Eisengitter zwischen vier Steinpfeilern schließt das Grab ein, das zwei Grabsteine trägt: einen abgestumpften Obelisken aus älterer und einen pultartig zugeschrägten Marmor aus neurer Zeit. Auf dem abgestumpften Obelisken fanden wir ein Häuflein Erde, darin eine sinnige Hand, vielleicht keine Stunde vor uns, einen Strauß unterwegs gepflückter Feldblumen eingesetzt hatte. Zu Füßen des Obelisken aber, auf dem zugeschrägten Marmorsteine, stand das Folgende:
    Heinrich von Kleist
     
    Geboren

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