Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
auf denen auch der Schlichteste freie Bewegung zu haben pflegt, beispielsweis auf dem Gebiete der Erziehung und des Bestimmungentreffens innerhalb der Familie. So war es ihm ein Schmerz, seinem Sohne Friedrich Leopold die seemännische Carrière, von der er, der Vater, so hoch dachte, durch einen kaiserlichen Befehl verschlossen zu sehn. Dazu kamen direkte Zurücksetzungen: er hatte mit dem Palais des Johanniterordens auch zugleich die Herrenmeisterschaft zu erben gehofft und mußte, als sich Orden und Kaiser in dieser heiklen Frage schlüssig gemacht hatten, dies hohe und ehrenvolle Amt auf seinen Vetter Albrecht , den jetzigen Regenten von Braunschweig, übergehn sehn. Das alles empfand er als eine tiefe Kränkung , und wenn diese Kränkung einerseits an seiner Seele zehnte, so steigerte sie zugleich auch sein körperliches Leiden und zog ihm in der Nacht vom 13. zum 14. Juni 1885 einen Schlaganfall zu, zu dem freilich ein hohes Maß von Unvorsichtigkeit die direkte Veranlassung gegeben hatte.
Was darüber erzählt wird, ist das Folgende.
Der Prinz war im Mai 85 wie gewöhnlich nach Marienbad gegangen und befand sich noch in der Nachkur, als er am 13. Juni einige seiner besten Freunde zur Tafel nach Dreilinden lud. Bei Tische ließ er es an einer nötigen Abstinenz nicht fehlen und hütete sich vor jedem Verstoß. Als er aber, nach Aufhebung der Tafel, seine Gäste bis in die Vorhalle begleitet hatte, kam ihm, bei der herrschenden Schwüle, plötzlich die Lust, noch ein Schwimmbad zu nehmen. Er fuhr denn auch nach dem Wannsee hinaus und schwamm eine gute Weile. Jedenfalls zu lang. Als er aus dem Bade kam, empfand er sofort ein starkes Frösteln und eilte nach Dreilinden zurück, um sich hier niederzulegen und vor allem für Wiederherstellung einer normalen Temperatur Sorge zu tragen. Aber schon zwischen zwei und drei Uhr rief er seinen im Nebenzimmer schlafenden Leibdiener: »Goerz, Goerz, nun ist es zu Ende; jetzt muß ich sterben.« Und es war so. Der Prinz überdauerte noch den nächsten Tag, starb aber am 15. Juni vormittags. »Gott sei mir gnädig«, waren seine letzten Worte.
Drei Tage später, am 18., hielt ihm Generalsuperintendent Kögel die Parentation in der Garnisonkirche zu Potsdam.
»Trauer und Bestürzung«, so hieß es in der Kögelschen Rede, »hat uns ergriffen. Ein Schwert ist über Nacht zerbrochen, ein Schild von Erz jählings zersprungen, von uns geschieden ein ritterlicher Prinz, der dem Sinn seiner Ahnen verwandt war, jenen gewaltigen Soldatenkönigen, die hier in der Grabkammer unter der Kanzel ruhn. Ein Führer und Feldherr des preußischen, des deutschen Heeres ist heimgegangen, ein Held mit dem Lorbeer dreier Feldzüge. Die Fahnen senken sich umflort. Unser greiser Kaiser und König sieht in ihm den einzigen Sohn seines letztabberufenen Bruders in ein frühes Grab dahinsinken. Und mit dem Kaiser trauert das Heer, das er so oft und so glänzend zum Siege führte. Stand doch der Dahingeschiedene da wie das Symbol unerschrockner Mannhaftigkeit wagenden Reitermuts, unbeugsamer Beharrlichkeit, war er doch, um ein an ihn gerichtetes Dichterwort zu zitieren, ›Dem roten Aare gleich im Schilde von Brandenburg‹.« So Kögel. Nach dieser Feier in der Garnisonkirche zu Potsdam, wohin man die Leiche des Prinzen von Dreilinden beziehungsweise von Neu-Glienicke her gebracht hatte, setzte sich der Trauerzug in Bewegung und führte den Toten zu seiner letzten Ruhestätte nach Nikolskoë .
Was noch erübrigt, ist ein Wort über den Charakter des Prinzen. »Der Prinz«, so schreibt Dr. Paul Güßfeldt, dem ich hier zunächst und mit allem Vorbedachte das Wort gebe, »war doch in vielem anders, als die Welt sich ihn vorzustellen pflegt, und empfand beispielsweis (um nur eines zu nennen) eine große Freude daran, sich zu belehren. Er las nie flüchtig und hielt streng an der Gewohnheit fest, bemerkenswerte Stellen mit Bleistift anzustreichen. Eine besonders wertgehaltene Lektüre war ihm Rankes Weltgeschichte. Gern verlieh er Bücher an nahestehende Freunde und brachte dann abends das Gespräch auf den Inhalt derselben. Hätte seine Neigung den Ausschlag gegeben, so wär er sehr wahrscheinlich Seefahrer oder Forschungsreisender geworden. So wie viele Seeleute bekannt sind durch ihre Reiterpassion, so stak in dem prinzlichen Reitergeneral eine bis zur Schwärmerei gesteigerte Passion für die See. Ich glaube, daß – abgesehen von den großen historischen Momenten erfochtener Siege –
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