Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Erziehung« anzugreifen. Es sind genau dieselbe Gründe, die unserem A. vor wenigen Stunden noch so geläufig waren. Aber das ist vergessen. Im Grunde genommen ist A. ein Krakehler und weiter nichts, ein Oppositionsmacher von Beruf und nunmehr seiner ewigen Streitlust den Mantel biedermännischer Hochherzigkeit umhängend, tritt er plötzlich in aller Freundschafts-Glorie für den abwesenden und bedrohten B. in die Schranke. C. wird culbutirt, denn in solchen Kämpfen siegt immer der Edle. B. erfährt es am andern Morgen beim Frühstück, wie A. für ihn gefochten. Ihm werden die Augen feucht und er sagt zu seiner Frau: »Ich lobe mir doch die groben Menschen. Sieh diesen A. Es ist doch eigentlich eine edle Natur«.
So liegen die Dinge und man sollte, Individuen wie Stämmen gegenüber, doch nach gerade darauf verzichten, die Grobheit als die Vorhalle zum Tempel der Wahrheit anzusehen. Auch die Grobheit lügt. Und die Geschliffenheit, selbst mit den Mängeln, die sie haben mag, steht jedenfalls der Kultur näher als ihr Gegentheil.
VII Podoll
Wir hatten in Turnau einen guten Schlaf gethan und waren erst zwischen zehn und elf auf dem Wege nach Podoll, nach demselben Dorf an der Iser, das wir schon am Abend vorher in Monddämmer passirt und, freilich mit geringem Erfolg, vom Wagen aus gemustert hatten. Wir kamen nun von der entgegengesetzten Seite und schritten in derselben Richtung und auf demselben Wege vor, auf dem unsre Truppen (die thüringische Division) am 26. Juni Abends zu ihrem ersten Rencontre vorgegangen waren. Es war eine reizende Fahrt; ein frischer Westwind kam uns entgegen, an dem hellblauen Himmel zog weißes Gewölk, dann und wann wie Silber aufleuchtend im Sonnenschein, dann wieder stumpf und glanzlos. Die Nachtruhe hatte uns erquickt und der Wind und die vorwirkende Nähe eines Feldes, auf dem »das erste Blut« geflossen, gaben unseren Herzen die rechte Spannung. Das Gefecht von Podoll hatte den Zweck, die Iser-Uebergänge zu gewinnen und dadurch die Verbindung zwischen der Ersten Armee (Prinz Friedrich Karl) und der Elbarmee (Herwarth v. Bittenfeld) wenn nicht herzustellen, so doch vorzubereiten. Dem 4. Armee-Corps, das am rechten Flügel der Ersten Armee marschirte, fiel diese Aufgabe zu. Die beiden Divisionen dieses Corps, Fransecky und Horn, leiteten zu diesem Behuf eine Anzahl von Gefechten ein; die ersten Gefechte hatte die Division Horn (Thüringer). Am Mittagdes 26. Juni warf sie den Feind bei Turnau, am Abend desselben Tages hatte sie der ernstere Gefecht bei Podoll . Etwa um die Mittagsstunde hielten wir am Eingange dieses Dorfes. Wir stiegen aus und ließen unseren Wagen linksab auf ein großes Gehöft fahren, das mit seinen vorspringenden Giebeln und durch einander geschobenen Kofen und Stallgebäuden einen malerischen Anblick bot. Der Himmel war bedeckter geworden, einige Regentropfen fielen, dann und wann schüttelte der Wind in den Obstbäumen, die nach böhmischer Sitte die Häuser umstanden und mit ihren dichtbelaubten Kronen für die Mängel des manchmal eingesunkenen Strohdaches aufkamen. Podoll, wie die Mehrzahl aller Dörfer, die wir passirten, ist nur ein kleines Dorf. Es hat keine Bedeutung an und für sich, wohl aber eine strategische, weil hier die Brücken sind, die über die von Ost nach West fließende Iser führen. Podoll liegt am nördlichen Ufer des Flusses und zwar dergestalt, daß seine einzige Gasse nicht parallel dem Flußbett hinläuft, sondern rechtwinklig auf dasselbe stößt. Da, wo die Dorfgasse den Fluß erreicht, hört im Wesentlichen das Dorf auf und die Straße nimmt nunmehr den Charakter eines Dammes an, der quer das Iserbett durchschneidet. Der Damm selbst wieder ist an drei Stellen durchschnitten und überbrückt und zwar selbstverständlich immer dort, wo die in drei Wasserstreifen fließende Iser von der Seite her den Damm trifft. Etwa hundert Schritte hinter der dritten Brücke steht noch wieder ein einzelnes, und zwar massives Haus, wie ein vorgeschobener Posten des Dorfes. Auf der Strecke, die zwischen der ersten Brücke und diesem vorgeschobenen Hause liegt, hat das Gefecht stattgefunden, das sich in zwei Hälften gliedert, von denen erst die zweite den Erfolg brachte.
Nach dem unvollkommenen und zum Theil sehrwiderspruchsvollen Material, das bis jetzt über dieses Gefecht vorliegt, war der Hergang etwa folgender.
Podoll war durch die Brigade Poschacher, die sogenannte »eiserne Brigade« (bestehend aus den Regimentern Martini und
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