Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
bewerkstelligen.
Diese und ähnliche Gespräche hatten uns endlich bis an das »massive Haus« geführt; fast unmittelbar hinter demselben war die Terrain-Senkung, die den feindlichen Bataillonen, so lange sie nicht zum Sturme vorgingen, Schutz gegen unser Feuer gewährt hatte. Wir traten in das Haus ein, das erst am Tage vorher von seinen Bewohnern wieder bezogen worden war. Die Fenster waren zerschossen, alle Zimmer leer, nichts drin wie Fliegen und Kugelspuren. Nur in der Küche schien Leben. Wir öffneten; auch hier Niemand. Aber auf dem Herde flackerte ein Feuer; überkochendes Wasser fuhr zischend in die Flamme, während auf der Erde, in Kissen verpackt, ein Kind schlief. Neben dem Kinde ein Hund. Er richtete sich auf, schüttelte seine Ohren, gähnte und legte den Kopf wieder auf die ausgestreckten Pfoten. Er hatte uns angesehen, daß wir nicht als Feinde gekommen waren.
Leis schlossen wir wieder die Thür und nahmen Abschied von Podoll und seinem »massiven Haus«.
VIII Münchengrätz
Ehe wir Podoll verließen, hatten wir noch die Gräber der Gefallenen zu besuchen. Wir fuhren später, auf den Schlachtfeldern von Gitschin und Königgrätz, an mächtigeren Gräbern, an zahlreicheren Kreuzen vorbei, aber wenig Stätten wecken ein gleiches Interesse, wie die, wo »die Ersten« ruhn. Das ist bei Podoll.
Die Begräbnißstätte befand sich neben dem großen Gehöft, wo wir unser Fuhrwerk zurückgelassen hatten. Unser Freund, der Archivar, übernahm auch auf diesem letzten Gange unsere Führung. Die Gräber ziehen sich an einem frischen Wiesengrund, zwischen diesem und der Landstraße hin. Von Obstbäumen umstellt, macht das Ganze den freundlichen Eindruck eines Gartens, die Gräber ebenso viele Beete. Es sind ihrer vier, groß und klein, alle sorglich gepflegt, die einen wie die andern mit Rasen dossirt und mit Weidenruthen korbartig umflochten. Die Ränder, da es an Blumen fehlen mochte, waren mit rothen Berberitzen umsteckt, was den Eindruck des Freundlichen steigerte. Jedes Grab hatte Kreuz und Inschrift. »Hier ruhen in Frieden vier preußische und österreichische Offiziere«; »hier ruhen in Frieden dreiundzwanzig preußische und einhundertzehn österreichische Helden, gefallen am 26. Juni in Podoll.« Für das Grab Drigalski’s wurde eben der Denkstein gemeißelt. Er wird die Inschrift führen: »Im Sturm auf das Dorf Podoll starb den Heldentod für König undVaterland an der Spitze seiner Füsiliere der Königlich preußische Oberst-Lieutenant Eugen von Drigalski , Commandeur des Füsilier-Bataillons 1. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 31, in der Nacht des 26. Juni 1866. Die Kameraden seines Regiments.« – So lange das Auge unseres alten Archivars über dieser Stelle wacht, wird sie wohlgeborgen sein.
Wir brachen nun auf – es war Spät-Nachmittag geworden – um Münchengrätz vor spätem Abend zu erreichen. An der Nordseite der pittoresk geformten Musky-Berge hin, die in den Gefechten am 28. Juni eine Rolle gespielt hatten, ging unser Weg hin; der andere Tag sollte uns noch näher daran vorüberführen. Etwa halben Wegs durchschnitten wir die Eisenbahnlinie, die wir bis dahin immer unmittelbar zur Rechten gehabt hatten, und ziemlich gleichzeitig mit dem vollen Dunkel des Abends zogen wir in die Münchengrätzer Gassen ein. So viel sich bei der Dunkelheit des Abends erkennen ließ, war es kein Ort, dem man eine Zusammenkunft zwischen den Kaisern von Rußland und Oesterreich und dem Könige von Preußen, eine Zusammenkunft wie sie hier (1833) wirklich statt fand, angesehen hätte.
Wir fuhren auf den Ring. Die Scenen aus Prag schienen sich wiederholen zu wollen: »alles besetzt«. Endlich fanden wir ein Unterkommen in einer benachbarten Ausspannung; auch hier nur durch die Dazwischenkunft eines pommerschen Pionier-Sergeanten, der – mehr Pionier als Pommer – uns in verbindlichen Formen seine Schlafkammer zur Verfügung stellte. Wo er selber genächtigt hat, ist uns ein Geheimniß geblieben. Wir vermieden indiskrete Fragen. Selbst unsre Vermuthungen sind stumm.
Die Schlafkammer, ohne undankbar kritteln zu wollen, war indessen so vollständig nur sie selbst, daß essich nicht empfahl, dieselbe anders als auf ihre eigentliche Bestimmung hin auszubeuten. An der einen Wand war der Kalk abgefallen, an der andern Seite hingen Rieger-Palaczki (etwa wie Waldeck-Jacobi) schief eingerahmt an der Wand. Ein Talglicht auf einer Bierflasche – ohnehin meine schwache Seite – war nicht
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