Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
»persische Pulver« bereits seine Zauberkreise gezogen hat? Der kleine norddeutsche Gasthof und der böhmische Hostinec, sie sind Geschwisterkind, und Anverwandte sollen nichts übles von einander reden.
    So viel über Dörfer und Städte, über »Ring« und »Hostinec.« Auch noch ein Wort über die Menschen .
    Von unseren Truppen, die nun seit zwei Monaten Zeit gehabt haben, die böhmische Bevölkerung kennenzu lernen, hört man nichts Gutes über diese letztere; Offiziere wie Mannschaften führen eine bittere Sprache und es bleibt höchstens darüber ein Zweifel, ob mehr Empörung oder Verachtung diese bittere Sprache diktirt. Alle Zeichen des Racenhasses (um so echter da, wo man sich keine Rechenschaft davon giebt) treten hervor. Zu den persönlichen Erlebnissen jedes Einzelnen kommen die »Trautenauer Geschichten«, die Geschichten von Leichenraub und Verstümmelung, von verschütteten und vergifteten Brunnen hinzu, um das ohnehin bis an den Rand gefüllte Glas überlaufen zu machen.
    Es ist nicht Hang zum Widerspruch, sondern nur eine Pflicht gegen Recht und Wahrheit, wenn ich hiermit versichere, all’ diese Tage über keinem einzigen Erlebniß begegnet zu sein, das mich berechtigte, in das so lebhaft lautgewordene Verdammungsurtheil einzustimmen. So oft wir um Auskunft fragten, wurde uns diese Auskunft ertheilt, in der Regel mit Zuvorkommenheit; da, wo man aus berechtigtem Vaterlandsgefühl, diese Zuvorkommenheit nicht zeigen wollte, trat eine gewisse reservirte Haltung ein, aber diese reservirte Haltung nahm nie die Form eines direkten Abweises an. Mitunter – namentlich bei solchen, die sich durch militairische Haltung als alte Soldaten kennzeichneten – flammte in den Augen etwas wie Haß auf; sie sahen uns scharf an, musterten uns und schienen sagen zu wollen: »wir sehen uns wieder;« aber all der Groll, der in ihnen kochen mochte, hielt sie nicht ab, auf die ruhig gestellte Frage eine ruhige Antwort zu geben. Dies geschah selbst an solchen Orten (beispielsweise in Podoll), wo sie über die rückgängigen Bewegungen der Ihrigen, über große Verluste und endliche Niederlage zu berichten hatten. Von Schabernack, von absichtlichem Irreführen, von all den Eulenspiegeleien Norddeutschlands keine Spur. Zu Gängen immer bereit, immer bereit einen Mantelsack zu tragen, immer bereit einen Trunk Wasser herbeizuschaffen! Die Motive dabei gehen mich nichts an, ich berichte die Thatsachen.
    Der hervorstechende Zug im Volkscharakter schien mir eine scheue, leise sprechende, leis auftretende Artigkeit zu sein. Alles machte den Eindruck, als ob man sich auf Socken bewege, während das preußische Auftreten (durch den Kontrast gesteigert) mich regelmäßig an Stulpstiefel und Pfundsporen erinnerte. Die Czechen, nach ihrer Oberfläche zu urtheilen, sind ein feingebautes, glattes Volk. Sie haben »Formen« und diesen Formen gegenüber, wird der mehr oder weniger formlose Norddeutsche immer eine Neigung haben, von Falschheit und Tücke zu sprechen. Schon der Sachse muß sich, um seiner Artigkeit willen, beständig diese Anklage gefallen lassen.
    Was ist es denn nun aber eigentlich mit dieser »Falschheit und Tücke?« Die ewige Fehde dagegen ist nichts wie eine Glorifizirung der Rücksichtslosigkeit, wie eine Prämiirung der Grobheit. Es ist dabei mit den Stämmen, wie mit den Individuen. Jeder, der artig und umgänglich ist, der in der Debatte, selbst im Streit, Gewalt über sich hat, jeder der »allerstärkste Ausdrücke« vermeidet und es nirgends als seinen Beruf empfindet, allen Menschen ein Register ihrer Schwächen und Sünden vorzuhalten, jeder, sag ich, der diese feineren Formen des Verkehrs besitzt, wird immer einmal der Gefahr verfallen, für einen heimtückischen Gesellen, für einen »unsicheren Passagier« gehalten zu werden. Wie beneidenswerth dagegen ist die Rolle des pommersch-brandenburgischen Biedermanns! A. tritt in das Haus seines Freundes und Nachbars B. und findet alles schlecht: das Geschäft wird nach falschen Prinzipien betrieben,die Kinder werden nach falschen Prinzipien erzogen, Apfelwein ist Gift, Weißkohl ist Magenmörderei und die Sitte des Tischgebets halb eine Lächerlichkeit, halb eine Blasphemie. Die Unterhaltung nimmt einen Charakter an, daß man fürchten muß, die Freunde werden sich nie wieder sehen. So trennen sie sich. Am Abend ist A. in seinem Stammlokal; er findet einen beliebigen C., der es sich einfallen läßt, den abwesenden B. wegen seiner »Prinzipien in Geschäft und

Weitere Kostenlose Bücher