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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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angethan, durch die Zauber des Helldunkels die Mängel der Gesammt-Scenerie auszugleichen. So gingen wir in die Wirthsstube.
    Hier – die Stube war überfüllt – herrschte ein wunderliches Treiben. Alles erschien uns wie verwandelt. Keine Spur von der scheuen Haltung, die uns bis dahin, so oft wir mit czechischem Volk verkehrt hatten, entgegen getreten war. Lautes Lachen, lautes Sprechen, dazu bekannte Anklänge im Dialekt, – wir horchten auf, und der erste Satz, den wir in aller Deutlichkeit vom nächsten Tisch her hörten, war: »nein, Wedemeyer, darin bist Du Irrländer! wenn Du in Erwägung ziehen willst (… erstens, zweitens, drittens), so wirst Du als Mensch und Berliner zujeben müssen, daß …« Der Rest verklang in dem allgemeinen Lärm. Auch hatten wir genug gehört. Wir befanden uns hier unter zwanzig, dreißig, Landsleuten, residenzliche Fuhrherren (dritten Ranges) und Droschkenkutscher, die, theils dienstlich ausgehoben, theils privatim angeworben, durch die große Kriegswoge hierher verschlagen waren. Münchengrätz, zur Zeit seiner Blüthe, hatte einen nach vielen hundert Wagen zählenden Fuhrpark gehabt, und was jetzt hier an den Nachbartischen saß und schrie und scharmutzirte und randalirte, das waren die Ueberreste jener kleinen Armee von Rosselenkern, die hier kommend und gehend, sicherlich weit über die Wünsche der Münchengrätzer hinaus, wochenlang in Garnison gelegen hatten.
    Eine bedenkliche Einquartirung. Andern Tages erst gewannen wir einen vollen Einblick in dies Treiben. Einer dieser Kutscher (der uns nach Gitschin zu schaffen hatte) durch allerhand kleine Mittel vertraulich gemacht, begann, während wir an der entzückendsten Landschaft vorüberfuhren, uns die Fuhrpark-Mysterien von Münchengrätz zu erschließen. Die poesie- und sagenreiche Landschaft gewann vielleicht unter diesem Kontrast. Abgründe thaten sich auf; alles indeß mit breitem Behagen vorgetragen, mit einer Miene, die an der sittlichen Berechtigung dieser Dinge nicht den geringsten Zweifel ließ, gingen wir schließlich selber auf einen Ton ein, den bekämpfen zu wollen, nichts gefruchtet, wohl aber uns um den Einblick in dies seltsame Stück Volksleben gebracht hätte. Fuhrpark-Bälle waren gegeben, Lustspiele aufgeführt, Ballets (mit Schlußtableaux) in Scene gesetzt worden; ob unter lebhafter Betheiligung der Bevölkerung, ist uns ein Geheimniß geblieben. Die großstädtischen Toiletten, die Glitzeraugen und scharf geschnittenen Profile, die uns, was das Damenpersonal anging, schon am Abend vorher aufgefallen waren, deuteten wenigstens darauf hin, daß auch Lustspiel und namentlich Ballet überwiegend aus Berliner Mitteln bestritten worden waren. Die Unterbringung dieses Personals hatte nie Schwierigkeit gemacht; der Wagenpark selbst hatte dazu die ausreichendste Gelegenheit geboten. »Ein offener Himmel und fünf Decken« – wie unser Gewährsmann sich drastisch ausdrückte – »sind das eigentliche Himmelbett.«
    All dies waren Mittheilungen, die uns erst der nächste Tag brachte; zunächst standen wir noch »inmitten der Ereignisse selbst«. Aber nicht lange mehr. Vielleicht zu früh für unsere Menschenkenntniß zogen wir uns, unterden Schutz von »Rieger und Palaczki«, in unsere Kammer zurück, müde genug, um auch unter erschwerenden Umständen eines festen Schlafes sicher zu sein. Und so geschah’s.
    Die Sonne weckte uns. Da wir indessen, wenn dieser Ausdruck gestattet ist, nur en echelon aufstehen und unsere Toilette, beziehungsweise unseren Abmarsch bewerkstelligen konnten, so war es keineswegs früh, als wir im Gastzimmer uns wieder zusammenfanden. Namentlich der Dritte, – eine Erfahrung, die sich auf der ganzen Reise wiederholte, – war immer bedeutend im Hintertreffen. Dies war unvermeidlich. Die Ausstaffirung eines böhmischen Waschtisches (ein Napf und ein Seidel Wasser) gestattete in der Regel, daß bei einem äußersten Oekonomisiren mit Wasser zwei Personen einen kümmerlichen Reinigungsakt vornehmen konnten; aber der unglückliche Dritte, wie bestrebt auch seine Mitreisenden sein mochten, nach billigen Theilungsprinzipien zu verfahren, sah sich doch jedesmal vis-à-vis du rien . Er war immer in der Lage, erst neue Wasserzufuhr abwarten zu müssen. Dies hatte nun aber, mal für mal, die äußersten Schwierigkeiten, vielleicht weil dem ohnehin abgehetzten, mit seinen Traditionen keineswegs innerhalb der Aera der englischen Wasserwerke stehenden Dienstpersonal, eine Vorstellung von

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