Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
der Unerläßlichkeit gerade dieser Dinge am schwersten beizubringen war.
So erging es unserem »Troisième« überall; natürlich auch in Münchengrätz. Aber, kommt Zeit, kommt Rath. Wir waren endlich zusammen, tranken unser »Glas Kaffe«, und schickten uns an zum Gange in die Stadt.
Bald standen wir auf dem »Ring«. Es war der erste, den wir mußevoll betrachten konnten und die Bauart dieser slavischen Marktplätze, die ich in einem früherenKapitel bereits in ihren allgemeinen Zügen beschrieben habe, interessirte mich lebhaft. Die in Front stehenden Giebel der Häuser, theils einfach zugeschrägt, theils ausgeschweift nach Art des Jesuiterstils, waren auf ihren Absätzen mit Spitzen, Kugeln oder Bildwerken geschmückt, während die Wandflächen, besonders über den Thür-Eingängen, allerhand primitive Fresken zeigten: Maria mit dem Kinde, Johannes mit dem Lamm, Erscheinung und Himmelfahrt. Ich sah später stattlichere Plätze derart, aber keinen, der so eigenthümlich gewesen wäre.
Ich versuchte nun, mit Karten und Zeitungsblättern in der Hand, mir eine Vorstellung von dem Gange des Gefechts am 28. Juni zu machen, allein vergeblich. Anfragen bei einzelnen deutsch-radebrechenden Czechen, führten mich vollständig in die Irre. Nach anderthalbstündigem Umherwandern entschieden wir uns vorläufig für Frühstück, die Lösung dunkler Fragen der historischen Entwicklung überlassend. Wir traten nun in das Gasthaus am Ring, bestellten Gullasch und Leitmeritzer Bier und suchten uns eine gute Ecke. Die guten Ecken sind allemal diejenigen, wo man erstens nicht im Zug sitzt, zweitens alles sieht und drittens nicht gesehen wird. Eine solche Ecke fanden wir hier. Dazu das bunteste Treiben. Immer neue Wagen fuhren vor, Offiziere von den umliegenden Regimentern stiegen ab; Erkennungs- und Begrüßungs-Scenen belebten das Bild. Es war das Treiben eines Markttages in’s Soldatische übersetzt. Die Heiterkeit, der Lärm und – der Appetit waren dieselben.
Wir hatten nicht umsonst gehofft; beim Leitmeritzer Bier kamen uns allerhand gute Gedanken. Es war uns jetzt klar, daß wir den Kirchthurm besteigen müßten, um einen Ueberblick über das Gefechtsfeld und denGang der Münchengrätzer Affaire zu haben. Und so brachen wir denn auf, der Kirche zu. Der czechische Küster, nachdem wir uns verständigt, hob die Luken aus, wir aber ritten auf den Balken und sahen hinein in das lachende Panorama. Nun war auf einmal alles übersichtlich geordnet. Dort , nach Nordwesten hin, lag »Kloster«, von wo Herwarth mit seinen Rheinländern heranrückte, dort die Batterie, die ihn beschoß, und dort, immer mehr an die Stadt und unseren Thurm heran, das Waldsteinsche Schloß, an dem vorbei (und dann in Schlängellinie durch Münchengrätz hindurch) die Avantgarde der Elb-Armee dem sich zurückziehenden Feinde in energischem Anlauf folgte. Und hier (wir hatten unsern Platz gewechselt), in entgegengesetzter Richtung, nach Osten und Südosten hin, ragten die pittoresken Muskyberge auf, schimmerte der Kirchthurm von Bossin und zog sich jene Bossiner Straße hin, auf die General Fransecky (mit Abtheilungen vom 27. Regiment) beinahe rechtwinklig vorstieß und den zu neuem Widerstand entschlossenen, gleichzeitig in der Front durch Herwarth gedrängten Feind, bis nach dem tiefer gelegenen, unserem Auge nicht mehr zugänglichen Fürstenbrück zurückwarf.
Ein Bild von dem Gange des Gefechts war gewonnen; klar trat selbst dem Laien entgegen, durch welchen Zug die Partie gewonnen war, aber etwas blieb uns versagt: einzelne Züge aus dem Kampfe selbst zu erfahren. In Podoll hatte man uns allerhand zu erzählen gewußt, hier fehlte unser Freund, der Archivar, hier hieß es einfach: »Die Preußen gingen von dorther vor und warfen die Unsrigen nach dorthin zurück. Vielleicht hatte der Kampf keine sich einprägenden Einzelmomente, vielleicht auch lag es daran, daß Niemand da war, um diesen Einzelmomenten zu folgen. Alles warzerstoben und verflogen; von den etwa viertausend Einwohnern waren nur fünfundsechzig in der Stadt verblieben.
Der Hammer neben uns begann eben zu schlagen. Es war gerade Mittag und wir hatten zwölf Schläge auszuhalten. Das Gespräch stockte, aber wir sahen nach dem Waldsteinschen Schloß hinüber, über dessen Dach ein Volk Tauben schwebte. Ein Bild tiefen Friedens. Unter diesem Dach hatte der Kongreß getagt, zu dem die Träger der »heiligen Allianz« sich vor dreiunddreißig Jahren zusammengefunden hatten. Was war
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