Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
noch übrig davon? Oesterreich todtwund; Rußland unversöhnt seit jener »Undanks-Neutralität«, die ihm eine Flotte und seine europäische Suprematie kostete; Preußen über das Gängelband Metternichs und über den Erniedrigungstag von Olmütz hinaus und – Herr in Deutschland.
IX Nach Gitschin
Am anderen Morgen brachen wir auf nach Gitschin. Der direkte Weg dahin (von Münchengrätz aus) führt über Fürstenbrück, da wir indessen das mehr östlich gelegene Schloß Podkost, das am Morgen des 29. Juni von der Avantgarde (pommersche Jäger und 14er Füsiliere) des 2. Armeecorps genommen worden war, kennen lernen wollten, so bogen wir schon in der Nähe von Bossin nach Osten hin ab, um die große von Podoll nach Sobotka führende Straße zu gewinnen, in deren Mitte etwa der Felsenpaß von Podkost, sammt dem gleichnamigen Schlosse gelegen ist. Der Querweg, den wir zu diesem Zwecke zunächst einschlagen mußten, führte uns an dem Südrande des Muskyberges vorüber, der den steilaufsteigenden Felspartieen der sächsischen Schweiz oder auch der schlesischen Heuscheuer nicht unähnlich, am 28. Juni (Gefecht von Münchengrätz) von den Vortruppen der 7. Division, auf oft nur mannsbreiten Felspfaden, überstiegen worden war. Es war dies derselbe Vorstoß, der – wie wir im vorigen Kapitel wenigstens andeuteten – schließlich gegen das Dorf Bossin gerichtet, an dieser Stelle die Rückzugslinie des Feindes traf, und dadurch den Tag um so rascher zu unseren Gunsten entschied.
Diese Muskyberge nunmehr zu unserer Linken, stutzten wir, daß diese steil aufragenden, zu einer kompakten Felsparthie zusammengedrängten Kegel, von unserenTruppen hatten passirt werden können. Wenig Umsicht, wenig guter Wille, wenig Entschlossenheit hätten genügt, diese Felsenmasse zu einer uneinnehmbaren Festung zu machen. Es war aber das Schicksal Oesterreichs, daß es an der einen oder anderen dieser Eigenschaften (oft an allen dreien) immer wieder und wieder gebrach. Die besten Stellungen blieben ungenutzt und in ebenso räthselhafter Weise, wie der Paß über die Muskyberge, beinah unvertheidigt, aufgegeben worden war, ging auch der Felsenpaß von Podkost verloren, dem wir jetzt, nachdem wir auf die Podoll-Sobotka-Straße eingebogen, in kurzem Trabe zufuhren. Mehrfach hielten wir an, theils wegen der Schönheit, aber auch wegen des geognostischen Interesses, das die Landschaft bot.
Unser Weg führte zunächst durch Tannenwald, der flach und eben daliegend, nicht im geringsten die Nachbarschaft grotesker Felsparthien ahnen ließ. Plötzlich wuchsen zwischen den Tannenstämmen einzelne Kegel wie Zuckerhüte auf, das Terrain zunächst noch mit den Bäumen theilend. Aber wenige hundert Schritte weiter genügten, um dem Bilde ein völlig anderes Ansehn zu geben; die einzelnen Felskegel waren nicht mehr Gäste im Walde, sie waren die Herren geworden und zu beiden Seiten des immer schmaler werdenden Weges hohe Felswände bildend, trugen sie nunmehr die Tannen, die eben noch ebenbürtig an ihrer Seite gestanden hatten, wie eine leichte Last auf ihrem Rücken.
Etwa zehn Minuten mochten wir durch diesen Felsenpaß gefahren sein, als sich derselbe zu einem freien Platz erweiterte. Die Tannen traten zurück, Linden und alte Nußbäume füllten den Raum; hinter diesen Bäumen aber, dieselben um mehr als hundert Fuß überragend, stieg auf einem vorspringenden Felsblock Schloß Podkost auf und sperrte mit seiner Häusermasse denWeg. Alles was hier hindurch will, hat zunächst eine Art Schloßhof, dann das Schloßthor selbst zu passiren, in dessen Rücken abermals hohe Felswände aufsteigen, während ein Flüßchen (das sich an dieser Stelle zu einem Wasserbecken erweitert), den Raum zwischen dem Schloßthor und den dahinter gelegenen Felsen ausfüllt.
Wenn es je eine Stelle gab, die leicht zu vertheidigen war, so ist es diese. Jede Festung kann bekanntlich genommen werden, und wir stellen an Schloß Podkost nicht die Forderung, daß es einem ernstlichen, mit überlegenen Artilleriekräften unternommenen Angriff hätte Widerstand leisten sollen, aber es ist schwer zu verstehen, wie eine durch Artillerie, Jäger und eine ganze Brigade (die Brigade Ringelsheim) vertheidigte Position wie diese, beim Anrücken unserer aus etwa zwei Bataillonen bestehenden Avantgarde geräumt werden konnte. An eine jener vielgefürchteten Umgehungen (wenn an jenem Tage diese Furcht überhaupt schon existirte) war an dieser Stelle gar nicht zu denken, weil das
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