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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Troska zur Linken, auf der reich mit Bäumen bepflanzten Chaussee, an zum Theil niedergestampften Getreidefeldern vorbei, Gitschin zufuhren. Halbenwegs passirten wir Nieder-Lochow, das, so viel sich im Dämmer erkennen ließ, nur noch an seinem Eingange einige zerstörte Häuser aufwies. Dann folgten, zu beiden Seiten der Straße frisch aufgeworfene Gräber mit den bekannten Inschriften, bis wir, bei einbrechender Dunkelheit, über den Markt von Gitschin fuhren und vor einem hellerleuchteten mit hohen Fenstern großstädtisch daliegenden Gasthof hielten.

X Gitschin
     
    Wir waren bei guter Zeit auf. Die Sonne schien durch die hohen Fenster, und die langen weißen Gardinen, ein Luxusartikel, dem wir seit mehreren Tagen nicht mehr begegnet waren, bauschten prächtig im Winde, als wir die Fenster öffneten, um die Frische des Morgens einzulassen. Wir eilten treppab in das große Gastzimmer. Erst jetzt sahen wir, daß wir wie in einem Schloß geschlafen hatten: hohe Zimmer, breite Treppen und lange Korridore. Wir nahmen Platz an einem Quertisch, der in der Nähe der Frontfenster hinlief und uns einen Blick auf den vorgelegenen Platz gestattete. Unser Freund, der Kellner (beiläufig der Typus eines fahrenden Guitarrenspielers), dessen Herz wir schon am Abend vorher gewonnen hatten, war schnell zur Hand und sein Diensteifer und seine gute Laune ließen uns auch heute wieder vergessen, daß wir diesem lang gekräuselten Haar und diesen selben wasserblauen Augen schon irgendwo einmal (und zwar nicht an den besten Orten) begegnet zu sein glaubten. An den anderen Tischen saßen Doktoren vom schweren Feldlazareth und nahmen ihr Frühstück ein; – das Gespräch drehte sich um die Opfer des Krieges und um die schwereren, die die Seuche täglich forderte. Wir sollten bald durch den Augenschein daran erinnert werden.
    Zweck unseres Gitschiner Aufenthalts war, von hier aus zunächst das Städtchen Lomnitz (in dem sich nochVerwundete vom Leibregiment befanden), dann aber die Hauptpunkte des Gitschiner Schlachtfeldes zu besuchen. Während der Wagen herbeigeschafft wurde, machten wir einen kurzen Gang durch die Stadt, um wenigstens den altstädtischen Ring und die Kirche kennen zu lernen. Wir traten zunächst in die im Jesuiterstyle erbaute Pfarrkirche ein, auf deren Gängen und Bänken, in der Nacht vom 29. zum 30. Juni, die Verwundeten von Freund und Feind zu vielen Hunderten gekauert oder auf wenig Stroh gelegen hatten; jetzt saßen wieder Gitschiner Frauen in den Kirchstühlen und blickten andachtsvoll auf den Altar, der, durch die nächsten Seitenfenster erleuchtet, in hellem Glanze stand. Wenige Schritte führten uns von der Kirche auf den großen Markt, dessen freundlich-sonniger Anblick uns getrübt wurde, als, von der andern Seite des Platzes her, plötzlich in langer Reihe drei Särge erschienen, die mit allem Pomp der katholischen Kirche, mit voraufgetragenem Kreuz und unter dem Schwingen der Weihrauchfässer zu Grabe getragen wurden.
    Wir waren froh, uns diesem Anblick entziehen zu können, und Platz nehmend auf den Sitzbänken unseres eben erschienenen Wagens, fuhren wir in nördlicher Richtung zur Stadt hinaus, um, in rascher Fahrt durch eine reizende Landschaft, das etwa zwei Meilen entfernte Lomnitz zu erreichen. Unser Weg führte uns zunächst an der Karthause von Gitschin vorbei, von der es im »Wallenstein« heißt:
    In der Karthause, die er selbst gestiftet,
    Zu Gitschin   ruht die Gräfin Wallenstein;
    An ihrer Seite, die sein erstes Glück
    Gegründet, wünscht er dankbar einst zu schlummern.
    O lassen Sie ihn dort begraben sein.
    In die Karthause einzutreten, würde uns unter andern Umständen als unerläßlich erschienen sein; aber der »große Friedländer«, der allerdings während einer Reihe von Jahren seine Ruhestätte hier fand, ruht nicht länger mehr an dieser Stelle. Die Karthause hat aufgehört, eine Karthause zu sein (sie dient als Landarmenhaus, wenn ich nicht irre) und die Herzogliche Gruft, wenn eine solche überhaupt noch existirt, ist leer geworden. Es heißt, daß noch während der Schwedenzeit, also muthmaßlich während der letzten Jahres des Dreißigjährigen Krieges (andere geben eine andere Zeit an) Kopf und Hand des Friedländers von den Schweden geraubt worden seien, was denn die Familie veranlaßt habe, die Ueberreste des Todten nach einer anderen Wallensteinschen Besitzung in Sicherheit zu bringen. Nach welcher Besitzung, habe ich trotz der verschiedensten Nachfragen nicht in

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