Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Sobotka-Münchengrätzer, die östliche die Turnauer Straße ist. In verhältnismäßiger Nähe von Gitschin, ziemlich an derselben Stelle, wo der die beiden Wege trennende Felsrücken nach Süden hin steil abfällt, erheben sich in der Flanke beider Straßen einzelne Hügel, so daß einavancirender Feind, auf welcher Straße auch er gegen Gitschin vorrücken mag, in unmittelbarer Nähe dieser Stadt jedesmal durch ein Defilé hindurch muß, das auf der einen Seite von dem Felsrücken, auf der anderen Seite von jenen Hügelpartieen gebildet wird. So auch am 29. Juni. Rechts wie links hatten unsere Divisionen ein offenes, weit gespanntes, aber durch Artillerie beherrschtes Thor zu passiren und nicht eher war an Sieg zu denken, als bis diese dominirenden Höhen mit Sturm genommen waren. Diese Aufgabe des Felsenstürmens fiel allerdings mehr der brandenburgischen als der pommerschen Division zu, weshalb die Verluste jener mehr als doppelt so stark waren. Es war ein heißer Tag, nur unter Anspannung aller Kräfte gewonnen; selbst das letzte Reserve-Bataillon wurde herangezogen und ins Feuer geführt. Die Erzählung, daß der die Höhe von Brada erstürmende Truppentheil schließlich die Stiefel ausgezogen habe, um die Felsenwand bequemer erklettern zu können, gehört in die Reihe jener Sagen und Märchen, die unmittelbar nach jedem Gefecht beim Bivouakfeuer geboren zu werden pflegen. Der Ruhm dieser Barfuß-Attakke wurde einem Bataillon der 24er zugeschrieben, woraus sich am Besten die Zuverlässigkeit der Anekdote ergiebt. Die 24er (einer anderen Division angehörig) machten die Affaire von Gitschin gar nicht mit und es war vielmehr das 18. Regiment – schon von Düppel her durch seine Angriffs-Energie berühmt – das (mit oder ohne Stiefel) die Felsenhöhe von Brada nahm und dadurch den Tag entschied.
Um drei Uhr waren wir wieder in Gitschin, erfrischten uns an der Kühle unseres Zimmers und stiegen dann treppab in den Speisesalon. Mit der Bemerkung: »daß Gitschin zeigen möge, was es könne«, hatten wir unsvon der in Küchendämpfen pythisch dastehenden Wirthin getrennt, nun war der Moment da, wo sichs zeigen sollte, ob sie ihrer Zusage und unserer Hoffnung gleichmäßig Wort gehalten habe. Die Vorbereitungen ließen sich gut an: das Tischzeug war sauber, der Kellner (unser schwarzlockiger Freund) glatt gebürstet und von strafferer Haltung, die Fenster offen und der Nachmittags-Sonnenschein draußen auf dem Platz. Mitunter lief ein Schatten über den sonnigen Platz hin und schwand wieder, wie wenn Pappeln im Winde schwanken; dann und wann klang hoch aus der Luft jener eigenthümliche Ton (halb Gekreisch, halb Gezwitscher), mit dem sich Schwalben im Vorüberfliegen begrüßen; dann wieder Alles still. Die Suppe rief uns endlich zu realeren Genüssen. Sie war vortrefflich. In kurzen Pausen folgten ein Salat, ein Fisch; der Oberungar lag voll auf der Zunge; – da fuhr wieder der lange Schatten über den Platz. Diesmal schwand er nicht, er schwankte hin und her, aber er blieb, und ehe wir noch Zeit hatten, nachzusinnen, zogen wieder, wie am Vormittag, mit Chorknaben und Weihrauchfaß und mit voraufgetragenem Kreuz, zwei Särge dicht an unserem Fenster vorüber. Eine Pause entstand. Als der Zug vorüber war, winkten wir den Kellner heran. »Wieviel Gänge sind noch?« Drei. »Lassen Sie wenigstens zwei ausfallen.« Stumm verzehrten wir unsere Mehlspeise; erst beim Cognac-Kaffee sahen wir uns wieder scharf an.
Eine halbe Stunde später waren wir auf dem Wege nach Horsitz.
XI Sadowa-Chlum
[Unser] Besuch galt dem »großen Schlachtfelde«. Wir [fuhren von Hor]sitz aus und waren etwa um die Mittagstunde [auf der Höhe v]on Dub. Das große Schlachtfeld, das größte [jüngerer Zeit] lag vor uns. [Ein eigentümlic]hes Gefühl von [Vorstellunge]n, Erwartung [überkam uns, al]s wir die Felder durchfuhren, auf denen sich, vor [nun sieben Wochen], die Geschicke [unseres Landes] hoffentlich auf [Dauer entsc]hieden haben.
[Das S]chlachtfeld ist oft be[schrieben w]orden, zumeist von [der Höhe] von Dub aus, die [das große] Terrain, auf dem [während] des Vormittags von [unser]er Ersten Armee ge[kämpft w]urde, in aller Voll[ständi]gkeit giebt. Man hat den [Bistri]tzbach, die steinerne Brücke u[n]d das kleine Dorf Sadowa unmittelbar zu Füßen, während nach li[n]ks und rechts hin, – theils [a]n der Bistritz selbst, theils v[o]r – theils zurückgelegen die vielg[e]nannten Dörfer Horonowes [u]nd Benatek,
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