Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
in einiger Entfernung an den hochgelegenen Städten und Flecken vorübergeht, waren, mit Umgehung geringerer Namen, die folgenden: Arezzo, Cortona, Perugia, Assisi, Spello, Foligno, Trevi, Spoleto, Terni, Narni, Orte und Passo di Corese. Dann Rom. Assisi und Spoleto machen den bedeutendsten Eindruck; doch liegen einige der kleineren Ortschaften malerischer. Orte ist, wenn man von Rom nach dem Norden fährt, Gabelpunkt, von wo aus links (westlich) eine zweite Bahn abzweigt, die über Orvieto und Siena ebenfalls nach Florenz führt. – Der Trasimenische See, der 10 Stunden Umfang hat, liegt zwischen Cortona und Perugia. Er ist sehr schön, ganz besonders durch die 3 Inseln, die in ihm liegen. Eine, wenn ich nicht irre, trägt ein Kastell, eine andre ein Kloster, die dritte (kleinste) ist bewaldet. An einer Stelle ist die Schiebung so, daß die beiden kleineren Inseln wie ein breites mächtiges Tor wirken, durch das hindurch man die dritte, bereits ziemlich weit zurückliegende kastellgekrönte Insel wie ein in Grau gemaltes Bild erblickt. Kennt man das Terrain, so ergibt sich der Verlauf der Schlacht, der den Römern 15000 Tote gekostet haben soll, sehr leicht. [Folgt Skizze Fontanes.] Hannibal kam von Oberitalien und überschritt den Apennin. Konsul Flaminius stand bei Arezzo. Hannibal bewerkstelligte einen Flankenmarsch, marschierte an Arezzo vorbei und nahm Stellung auf den Hügeln und Bergen zwischen a und b, will sagen zwischen Borghetto und Passignano. Beide Punkte treten dicht an den See heran und bilden ein Defilee. Flaminius, als er wahrnahm, daß Hannibal auf Rom zu ging, drängte nach. Als er (Flaminius) auf dem Terrain zwischen Borghetto und Passignano angekommen war, machte Hannibal die Mausefalle zu; von den Bergen in zwei mächtigen Kolonnen niedersteigend, schloß er das Defilee in Nord und Süd, zugleich von Norden her gegen Süden vordringend. Ein Teil der Römer schlug sich bei Passignano durch und entkam. Flaminius fiel.
Diese Partie am Trasimenischen See interessierte mich landschaftlich und historisch am meisten. Napoleon I. hat diesen See, der an den meisten Stellen ziemlich flach ist, austrocknen lassen wollen. Ein brutaler Plan. Ein Stück Geschichte und ein Stück Schönheit würde dem Lande dadurch verlorengegangen sein.
Großartig wirkt Assisi durch seine kolossalen Kloster- und Kirchenbauten, namentlich durch das Franziskanerkloster (Franz von Assisi) ziemlich am Fuße der hochansteigenden Stadt. – Spoleto ist Sitz eines Erzbischofs. – Terni und Narni sehr hübsch. – Der Soracte wirkt bedeutend. Es ist eine sechskuppige, einzeln dastehende, aber mehrere Meilen lange Bergpartie, etwa wie der Zobten, der Kyffhäuser, der Hörselberg, der Harz. Viel bedeutender als die erstgenannten drei, ist er dennoch kleiner als der letztre (der Harz). Seine Konturen sind sehr schön. Er wirkt gut, wenn man an ihm vorüberfährt, aber fast noch mehr an einer Stelle, vielleicht vier, fünf Meilen von Rom, wo man nur seine Kuppe ein vorgelegenes Plateau überragen sieht.
Unsere Hoffnungen, die Peterskuppel am Abendhimmel auftauchen zu sehn, wurden getäuscht. Es war bereits zu dunkel, und die ganz kleine Mondsichel reichte nicht aus, das Defizit an Tageslicht zu decken. Entzückend waren die großen Feuer, die über die weiten, schließlich völlig flach gewordenen Felder hin brannten; einige dicht neben der Eisenbahn. Gestalten hockten drum umher, deren Tun und Treiben wir nicht erkennen konnten.
Um 6½ fuhren wir in den Bahnhof ein; um 7 waren wir im Hôtel du Sud.
Ein letzter Tag in Italien
Es ging wieder heim. Der »ewig blaue Himmel Italiens« lag unverändert über der Landschaft, aber diese Landschaft selber lag im Schnee. Eine tiefe Sehnsucht nach Teppich und Doppelfenster fröstelte mir durchs Herz, und die Aussicht auf einen Ruhetag in Florenz, der die Rückkehr in geordnete, namentlich aber in angenehm temperierte Zustände auf abermals vierundzwanzig Stunden hinausrückte, erfüllte mich mit so wenig Freude wie möglich. Und doch war an diesem Programm nichts zu ändern, schon deshalb nicht, weil auf dem Hinwege zwei große Florentiner Sehenswürdigkeiten leichtsinnig versäumt worden waren: die Mediceer-Kapelle in San Lorenzo und die Kirche Santa Maria Novella. Man braucht nicht alles zu sehen, aber gewisse Nummern sind unerläßlich. Im übrigen sei hier die alte Weisheits- und Reiseregel wiederholt: »Schiebe nichts auf.« Man muß sehr jung oder sehr gewissenhaft sein, um auf
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