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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Bedeutung und auf dem Wege der Erkenntnis auch schließlich zu dem Gefühl davon. Zu diesem Gefühl aber soll man großen Erscheinungen der Kunst gegenüber, wenn immer möglich, unmittelbar kommen. – In Beschreibungen tret ich nicht ein. Die bereits mehrerwähnten Skulpturen: die Gestalten von Tag und Nacht, von Morgen- und Abenddämmerung, die sich zu Füßen zweier Mediceer-Figuren, der Herzöge von Nemours und Urbino, gruppieren, sind zu oft in Prosa und auch in Versen verherrlicht worden, als daß ich es nicht vorziehen sollte, den Leser ohne Aufenthalt von San Lorenzo nach Santa Maria Novella, einer durch zierliche Schönheit ausgezeichneten Kirche, zu führen. Michelangelo nannte sie »seine Braut«, ein Wort, das ähnlich bekannt geworden ist wie das noch schmeichelhaftere und berühmtere über die Ghibertischen Türen: »sie seien würdig, die Pforten des Paradieses zu sein«.
    Santa Maria Novella war bald erreicht; die Entfernungen in Florenz sind nur kurz. Hunderte strömten über den Vorplatz der Kirche zu, in welcher irgendeine Feier begangen wurde. Auch die Bettler am Eingang hatten einen Festtag heut, denn die Italiener (beispielsweise im Gegensatz zu den Engländern) geben noch gern an die Blinden und Lahmen, ohne lange theoretische Erwägung: »ob die kritiklose Unterstützung armer Leute nicht vielleicht eine Sünde sei«. Sie haben auch noch keine Eisenschilder an ihren Türen: »Mitglied des Vereins gegen Bettelei«.
    Ein Alter mit einem Bein (wenn das zweite nicht geschickt untergebunden war) saß innerhalb der Kirche und hielt den Eintretenden seinen Hut entgegen. Auch mir. Ich bückte mich ein wenig und warf einen Sous hinein. Als ich mich wieder aufrichtete, fiel schräg, von links her, ein heller Lichtstreifen auf den Pfeiler, zu dessen Füßen der Bettler hockte, und ein Wandbild, das bei gewöhnlicher Beleuchtung meiner Aufmerksamkeit entgangen wäre, blickte auf mich nieder. Es war ein »Christus am Kreuz«. Der Maler hatte für seine Darstellung den Augenblick gewählt, in dem das Menschentum in dem Gottessohn erseufzt; ein unendlicher Schmerz legt sich um Augen und Mund. In diesem bittersten Leidensmoment erscheint Gottvater selbst und legt seine rechte Hand unter den Arm des Kreuzes, zugleich auch des Gekreuzigten, um ihm hilfreich nahe zu sein in dieser seiner schwersten Stunde. Ein Bild voll tiefer, unendlicher Schönheit. Ich war erschüttert und konnte minutenlang kein Auge davon lassen. Dann sah ich das Mittelschiff hinauf, in dem, zumal um die Kanzel her, die Andächtigen dicht gedrängt standen und einem Geistlichen lauschten, von dem ich, neben schwachen Umrissen, nur die auf- und absteigenden Bewegungen von Arm und Hand erkennen konnte.
    Meine Aufmerksamkeit wandte sich bald wieder dem Bilde zu, das ich jetzt unter Benutzung eines guten Glases, auch in seinen dunkleren Partien, examinierte. Als ich damit zu Ende war, stand ein hageres Männlein in dürftigem schwarzen Rocke, unverkennbar ein Kirchendiener, neben mir und sagte, auf das Bild deutend: »Masaccio!« Es folgten dann mit südlicher Redefertigkeit allerhand weitere Auseinandersetzungen, von denen ich kaum die Hälfte verstand und nur etwa entnehmen konnte, daß das Wandbild an dem nebenstehenden Pfeiler ebenfalls dem Masaccio zugeschrieben werde, vor allem aber, daß er selber bereit sei, mir die Kapellen und Sakristeien seiner Kirche zu zeigen. Dies schien mir ausnahmsweise in hohem Grade annehmbar, da der ungewöhnliche Zudrang es mehr als zweifelhaft machte, ob ich ohne Führerhand imstande sein würde, alle Sehenswürdigkeiten, über die ich mich vorher einigermaßen informiert hatte, mußevoll in Augenschein zu nehmen.
    Unter diesen Sehenswürdigkeiten stehen zwei Kapellen, die Rucellai- und die Strozzi-Kapelle obenan. Ich nannte beide Namen dem Führer, der verständnisvoll nickte und in geschickten Schlängellinien, mitten durch die Menge hindurch, mich von der einen zur andern führte.
    Die Rucellai-Kapelle ist berühmt durch eine große Madonna Cimabues, von der es heißt, daß sie, nach ihrer Vollendung, in großer Prozession in die Kirche getragen worden sei; in der Strozzi-Kapelle hingegen sind es drei große Wandbilder Orcagnas, das Weltgericht, das Paradies und die Hölle darstellend, die gesehen werden müssen. Die Hölle machte einen geringen Eindruck auf mich, desto mächtiger wirkten das Weltgericht und das Paradies, von denen mit Recht gesagt werden durfte, »daß sie die höchste Grenze des

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