Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
in der Poesie so viele Wendungen, die trotz ihrer Mängel, ja vielleicht um derselben willen, einen immer wieder lebhaft erfreuen und sozusagen »Jenseits von Gut und Böse« liegen.
Selbstverständlich, da der Tunnel auch Komponisten und Virtuosen zu seinen Mitgliedern zählte, kam es bei den Stiftungsfesten mehr als einmal zu musikalischen Aufführungen und Impromptus. Hierbei feierte vor allem Kapellmeister Taubert – Dittersdorf – seine Triumphe. Heinrich Seidel in seinem reizenden Buche »Von Perlin bis Berlin« hat über solche Klavierimprovisationen Wilhelm Tauberts berichtet. Es heißt da: » Rothschild und Rossini waren beinahe gleichzeitig gestorben, und ein Tunnelmitglied hatte ihnen bei der Festtafel einen witzigen Nachruf gehalten, indem er allerlei Parallelen zwischen diesen beiden großen ›R’s‹ zog. Kaum war er damit fertig, so eilte Taubert an das Klavier, präludierte und begann eine entzückende Improvisation über die beiden Themen: ›Gold, ach Gold ist nur Schimäre‹ von Meyerbeer und Rossinis: ›Wünsche Ihnen wohl zu ruhen‹ aus dem Barbier von Sevilla. Es war entzückend, wie er die beiden Melodien durcheinanderflocht.«
Die Stiftungsfeste, wie gesagt, waren gut, aber unser Bestes waren doch die Preisausschreibungen, die Wartburg- Sängerfeste , trotzdem die Damen fehlten und die Kränze. Wir waren prosaischer und zahlten bar, nachdem eine kurze Zeitlang »Ehrenbecher« und dergleichen verliehen worden waren, was sich aber nicht als praktisch erwies. Ich meinerseits siegte mehrere Male, bin dieser Siege jedoch, so sehr mich die Wettbewerbe selbst interessierten, nie recht froh geworden. Einmal – die Forderung ging dahin, daß das zur Konkurrenz zuzulassende Gedicht einen »Gast« als Hauptfigur auftreten lassen müsse – gewann ich den Preis mit einer Ballade, die sich in meinen gesammelten Gedichten unter dem Titel »Lord Athol« vorfindet. Ich war aber über meine Siegesberechtigung selber so zweifelsvoll, daß ich, als am selben Tage noch für die gerade damals in der Gründung begriffene Schiller-Stiftung gesammelt wurde, meinen ganzen Gewinn als erste Beisteuer einzahlte. Wieviel Renommisterei dabei mit im Spiele war, kann ich nachträglich nicht mehr feststellen.
Das war Anno 59, als schon die Geldpreise Sitte geworden waren. Aber auch schon vorher, als ich einen Ehrenbecher, ein wahres Monstrum von Häßlichkeit – ich besitze ihn noch – einheimste, mischten sich in meine Siegesfreude sehr widerstrebende Gefühle. Wer damals im Tunnel konkurrieren wollte, mußte seinen Beitrag anonym abliefern und hatte nur das Recht, auf einem beigelegten Zettel den zu verzeichnen, der sein Gedicht in öffentlicher Sitzung vorlesen sollte. Die besten Kräfte – wie sich später, nachdem die Namen bekanntgegeben wurden, herausstellte – hatten an dieser Konkurrenz teilgenommen: Eggers, Broemel (später in London), Kugler, Lepel, Heyse. Das Zünglein der Waage schwankte zwischen dem »Tag von Hemmingstedt« und dem »Tal des Espingo«, und »Hemmingstedt«, von mir herrührend, siegte schließlich. Das »Tal des Espingo« war von Heyse. Die Partei Heyse, zu der vor allem Kugler gehörte, verriet über diesen Ausgang keine Spur von Verstimmung, was ich schon damals bewunderte. Kontenance bewahren, wenn einen, wie dies bei jeder Lotterie der Fall ist, der blinde Zufall im Stich läßt, ist nicht allzu schwer; aber auch da nicht Empfindlichkeit zeigen, wo man seinen Anspruch auf Sieg beinahe beweisen kann, das vermag nicht jeder. Es steht mir jetzt fest, daß das »Tal des Espingo« das durchaus bessere Gedicht war, und auch damals schon regte sich etwas von dieser Erkenntnis in mir.
Zweites Kapitel
Mein Eintritt in den Tunnel. Graf Moritz Strachwitz
In diese vorgeschilderte Gesellschaft – Tunnel – trat ich, wie schon am Schluß des vorigen Abschnitts hervorgehoben, im Mai 1844 ein, wenige Wochen nach Beginn meiner Dienstzeit im Franz-Regiment. Bernhard von Lepel, schon längere Zeit Mitglied des Vereins, hatte mich in Vorschlag gebracht und die zur Aufnahme nötigen »Referenzen« gegeben. Ich wurde sehr freundlich begrüßt, erhielt meinen Tunnelnamen – Lafontaine – und hätte durchaus zufrieden sein können, wenn ich nur mit dem, was ich dichterisch zum besten gab, mehr oder doch wenigstens einen Erfolg gehabt hätte. Das wollte mir aber nicht gelingen. Meine ganze Lyrik, nicht viel anders wie während meiner voraufgegangenen Leipziger Tage, war, auch zu
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