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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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jener Zeit noch, auf Freiheit gestimmt oder streifte wenigstens das Freiheitliche, woran der Tunnel, der in solchen Dingen mit sich reden ließ, an und für sich nicht ernsten Anstoß nahm, aber doch mit Recht bemerkte, daß ich den Ton nicht recht träfe. »Sehen Sie,« hieß es eines Tages, »da ist der Rudolf Löwenstein; der schreibt auch dergleichen, aber doch wie ganz anders!« Das »Wie ganz anders« bezog sich besonders auf Löwensteins berühmt gewordenes Lied »Freifrau von Droste-Vischering«, das, als er es im Tunnel vorlas, einen ungeheuren Jubel hervorgerufen hatte, trotzdem, wie schon hervorgehoben, »Politisches« eigentlich verboten war.
    Es ging mir also anfangs nicht allzu gut. Ganz allmählich aber fand ich mich zu Stoffen heran, die zum Tunnel sowohl wie zu mir selber besser paßten als das »Herweghsche«, für das ich bis dahin auf Kosten andrer Tendenzen und Ziele geschwärmt hatte. Dies für mich Bessere war der Geschichte, besonders der brandenburgischen, entlehnt, und eines Tages erschien ich mit einem Gedicht »Der Alte Derfflinger«, das nicht bloß einschlug, sondern mich für die Zukunft etablierte. Heinrich von Mühler, damals noch ein ziemlich regelmäßiger Besucher des Tunnels, sagte mir das denkbar Schmeichelhafteste, wiederholte sogar Stellen, die sich ihm gleich eingeprägt hatten, und blieb mir, von Stund’ an, durch alle Wandlungen hin zugetan. Ich ließ alsbald diesem »Alten Derfflinger« eine ganze Reihe verwandter patriotischer Dichtungen im Volksliedton folgen und erzielte mit einem derselben, dem »Alten Zieten«, eine Zustimmung – auch im Publikum –, die weit über die bis dahin gehabten Erfolge hinausging. Ich glaube aber doch, daß der »Alte Derfflinger«, der den Reigen eröffnete, gelungener ist als der »Alte Zieten« und all die übrigen. Der erste Wurf ist immer der beste.
    Diese patriotischen Gedichte fielen in das Jahr 1846. Zwei Jahre später sorgten die Zeitereignisse, bei mir wenigstens, für einen kleinen Rückfall in das schon überwunden geglaubte »Freiheitliche«, doch war der dabei von mir angestimmte Ton ein sehr andrer geworden. Alles Bombastische war abgestreift und an die Stelle davon ein übermütiger Bummelton getreten. Eins dieser Gedichte, darin ich meine Braut zur Auswandrung nach Südamerika – natürlich nicht allzu ernsthaft gemeint – aufforderte, lass’ ich als eine Stilprobe hier folgen:
    Liebchen, komm, vor dieser Zeit, der schweren,
    Schutz zu suchen in den Kordilleren,
    Aus der Anden ew’gem Felsentor
    Tritt vielleicht noch kein Konstabler vor.
    Statt der Savignys und statt der Uhden
    Üben dort Justiz die Botokuden,
    Und durchs Nasenbein der goldne Ring
    Trägt sich leichter als von Bodelschwingh.
    Ohne Wühler dort und Agitator
    Frißt uns höchstens mal ein Alligator,
    Schlöffel Vater und selbst Schlöffel
    Sohn Respektieren noch den Maranon.
    Dort kein Pieper, dort kein Kiolbassa,
    Statt der Darlehnsscheine Gold in Kassa,
    Und in Quito oder Santa Fé
    Nichts von volksbeglückender Idee.
    Laß die Klänge Don Juans und Zampas,
    Hufgestampfe lockt uns in die Pampas,
    Und die Rosse dort, des Reiters wert,
    Sichern dich vor Rellstabs Musenpferd.
    Komm, o komm; den heimatlichen Bettel
    Werfen wir vom Popokatepettel,
    Und dem Kreischen nur des Kakadu
    Hören wir am Titicaca zu.
    Ein einziger Tunnelianer, Baron Wimpffen (Fouqué), wollte von diesem Übermut nichts wissen und wies sogar auf die Statuten hin, »die derlei Dinge verböten«; er fiel aber damit total ab, und zwar am meisten bei den Konservativen und Altministeriellen, bei Merckel, Lepel, Friedberg, die sich das Gedicht mitnahmen und es am selben Abend noch beim alten Minister von Mühler – dem Justizminister, Vater des Kultusministers – vorlasen.
    Das war im Sommer
1848. In
demselben Jahre noch, ich weiß nicht mehr in welcher Veranlassung, kamen mir Bischof Percys »Reliques of ancient English poetry« und bald danach auch Walter Scotts »Minstrelsy of the Scottish border« in die Hände, zwei Bücher, die auf Jahre hin meine Richtung und meinen Geschmack bestimmten. Aber mehr als der mir aus ihnen gewordene literarische und fast möchte ich sagen Lebensgewinn gilt mir der unmittelbare Genuß , den ich von ihnen gehabt habe. Sachen sind darunter, wie zum Beispiel »Der Aufstand in Northumberland« – zwei längere Balladen aus der Zeit der Königin Elisabeth –, die mich noch heute mit Entzücken erfüllen, worin sich freilich immer eine leise Mißstimmung

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