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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Zufall es fügte, daß man auf Napoleon I. und den General Moreau zu sprechen kam, sagte Lucae: »Ja, dieser Moreau; die Kanonenkugel riß ihm beide Beine weg, und so schrecklich dies ist, so muß ich doch sagen, ich habe darin immer was von göttlicher Gerechtigkeit gefunden; – ich hasse jeden Rigorismus, aber sein Land aufgeben und in den Dienst einer anderen Sache treten, dagegen lehnt sich mein Gefühl auf.« Die Komtesse schwieg, der alte Graf, der alles gehört hatte, lächelte; Lucae selbst aber, Politik war nie seine Sache, kam erst um vieles später zum Bewußtsein dessen, was er da mal wieder angerichtet hatte.
    Alle die bekannten, oft bis zum Schrecknis sich steigernden Verlegenheitssituationen, die durch unvorsichtiges Fragen in fremder Gesellschaft so leicht geboren werden – alle diese Situationen waren Lucaes eigentliche Domäne. Wenn man ihn acht Tage nicht gesehen hatte, war immer wieder etwas passiert. Auch mit seinen Berolinismen, in denen er sich nur allzugern bewegte, stieß er beständig an, weil er entweder ihre Tragweite nicht richtig erwog oder aber in seiner Erregtheit vergaß, vor wem er überhaupt sprach. Einmal war er ins Palais des alten Kaisers Wilhelm befohlen, um diesem einen Vortrag über irgendeine die Schloßfreiheit betreffende Bausache, vielleicht schon im Hinblick auf das siebziger Denkmal, zu halten, und unterzog sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks. »Ja, Majestät,« sagte er, »wenn nur nicht das › Rote Schloß ‹ wäre.« Der Kaiser, der diese Bezeichnung nie gehört haben mochte, war einen Augenblick wie dekontenanciert und wiederholte fragend das ihm häßlich klingende Wort. »Ja, Majestät«, antwortete Lucae, »das ›Rote Schloß‹ – das ist nämlich die volkstümliche Bezeichnung für den Bau da drüben. Übrigens baulich unbedeutend und außerdem Sitz einer ›Schneiderakademie‹.« Der alte Wilhelm kam aber, trotz dieses Anlaufes, die Sache ins Heitere zu spielen, nicht wieder in gute Stimmung.
    Nicht viel besser erging es dem armen Lucae mit der Kronprinzessin Friedrich. Auch im Gespräche mit dieser handelte sich’s um eine Bausache. »Sehen Sie, lieber Geheimrat, da haben wir als bestes das Bibliotheksgebäude, – das einzige Stück Berliner Architektur, das mir gefällt.« Lucae seinerseits mochte dem nicht zustimmen und antwortete: »Die Berliner nennen es die ›Kommode‹.« – »So, so«, sagte die Kronprinzessin und nahm nicht wieder Veranlassung, seinen baulichen Beirat einzuziehen.
    So ging es ihm, wenn er zu Hofe befohlen war; aber weit darüber hinaus erwies er sich auf Reisen als ein Pechvogel ersten Ranges. Friedfertig von Natur, wie schon angedeutet, und viel zu fein, um ein Krakeeler zu sein, sah er sich doch, sowie er aus Berlin heraus war, beständig in Streitigkeiten und Ärgernisse hineingezogen, oft recht unangenehmer Art. Einmal war er in einem Schweizer Hotel unter vielen Engländern und hatte sich in die Lesehalle begeben, um ein paar Berliner Zeitungen durchzusehen. Auf den Flur hinaus führte eine Glastür mit einer riesigen Spiegelscheibe; die Tür stand auf, die Fenster natürlich auch, und es zog kannibalisch. Lucae schloß die Tür. Ein alter Engländer mit Kotelettbart und rot unterlaufenen Augen erhob sich sofort und riß die Tür mit Ostentation wieder auf. Lucae schloß sie wieder. Als sich dies zum dritten Male wiederholte, nahm der Engländer einen am Kamin liegenden Poker und stieß die Spiegelscheibe ein. Nun konnte Lucae schließen, soviel er wollte, der Zug blieb doch, und der liebe Vetter von jenseits des Kanals hatte gesiegt.
    Aber so schlimm dies Erlebnis war, Schlimmeres war ihm für den Verlauf seiner Reise vorbehalten. Er kam nach München und besuchte hier natürlich auch die Schacksche Galerie. Niemand, es war noch sehr früh, war da, und nur der Diener des Grafen, eine stattliche Erscheinung und fast wie ein Gentleman wirkend, schritt auf und ab. Lucae wandte sich mit allerhand Fragen an ihn und kam alsbald in ein intimes Gespräch, das erst die Bilder des Grafen, dann den Grafen selbst betraf. Schließlich war der Moment da, wo Lucae sich über die Zulässigkeit von »buona mano« schlüssig zu machen hatte. Sein Schwanken indessen konnte nicht von Dauer sein. Er hatte durchaus den Eindruck, daß ein »Trinkgeld« diesem Herrn gegenüber eine Unmöglichkeit sei, und so beschränkte er sich nach Eintragung seines Namens und Titels in das Fremdenbuch einfach darauf, seinen

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