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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Preußen und noch viel, viel mehr das ganze preußische Volk der alten Provinzen, der » Berliner « obenan, an dieser fraternité teilnahm; es war ein Jubel, wenn Kaiser Nikolaus kam, er gehörte mit zur »Familie«, und Geschichten und Anekdoten, die von seiner Anhänglichkeit und Liebe sprachen, drängten und mehrten sich beständig, wobei Betrachtungen darüber, »ob das alles politisch vielleicht ein Fehler sei«, von sehr wenigen angestellt wurden. Gewiß gab es eine Minorität, die mit ihrem Fühlen und Denken entgegengesetzte Wege ging, aber all das durfte meiner Meinung nach diese Minorität doch nicht abhalten, hunderttausend anderen ein Recht auf Rußlandschwärmerei zuzugestehen, eine Schwärmerei, zu der, wenn man von der Frage der Freiheitlichkeit absieht, zahlloseste Gründe vorhanden waren: Anhänglichkeit an das eigene Herrscherhaus, Liebe zu einem patriarchalischen König, wie er in reinerer Gestalt nie dagewesen ist, Dankbarkeit, politischer Vorteil – weil (zunächst wenigstens) politische Sicherheit – und nicht zuletzt ein bestimmtes und berechtigtes Prinzip. Dies muß ich ganz besonders betonen. Denn so gewiß ich, meinen Empfindungen und meiner Erkenntnis nach, alles Heil in der Freiheit sehe, so ist auch diese Frage, wie jede andere, nicht derartig abgetan, daß die entgegengesetzte Anschauung bloß Unsinn und Verbrechen wäre. Gott sei Dank, daß wir das Russische los sind, nicht mehr im Schlepptau fahren; aber ich kann mich über die nicht entrüsten, die vordem an Kaiser Nikolaus gehangen haben. Mit der sehr gefährlichen Anschauung muß, mein’ ich, gebrochen werden, daß jeder Freiheitsschwärmer ein Ideal und jeder Kaiser-Nikolaus-Schwärmer ein Schufterle sei. Frankreich ist jetzt Republik und drängt sich huldigend an die russische Seite. Was über den Menschen entscheidet, ist seine Gesinnung, Ehrlichkeit der Überzeugungen. Und die hatte Louis Schneider, auch wenn er hundert Tabatièren empfangen haben sollte. Daß »ehrliche Manieren« – in denen Schneider, beiläufig, exzellierte – täuschen können, weiß ich; die Welt wimmelt von faux bonhommes. Was aber nicht täuschen kann, ist ein langes Leben, das sich dem Beobachter als aus einem Gusse darstellt. Er war zu jeder Zeit derselbe, fast zu sehr. Ich habe vieles an ihm gesehen, was mir mißfallen hat, nichts aber, das ich als mißachtlich oder auch nur als zweideutig zu bezeichnen hätte. Seinen Geschmack geb’ ich preis; ästhetisch war er sehr anfechtbar, moralisch bestand er.
    Wie sich denken läßt, zirkulierten im Tunnel allerhand Anekdoten über ihn, die sämtlich den Zweck verfolgten, entweder ihn politisch zu diskreditieren oder aber ihn als »komische Figur« zu ridikülisieren. Als im Sommer 49 Nikolaus nach Berlin kam, ließ er Schneider ins Palais rufen und äußerte sich über den traurigen Zustand, in den Preußen geraten sei. »Sehn Sie, Schneider, richtige Preußen gibt es überhaupt nur noch zwei: ich und Sie.« Ziemlich um dieselbe Zeit erschien eine den Kaiser Nikolaus als beschränkt, brutal und deutschfeindlich schildernde Broschüre. »Die müssen Sie lesen«, hieß es im Tunnel. Schneider aber antwortete: »Davor werd’ ich mich hüten; dergleichen verwirrt bloß.« – Wie beim Kaiser, so war er auch bei der Kaiserin gut angeschrieben. Kam diese von Petersburg nach Potsdam auf längeren Besuch, so wurde Schneider zum Tee befohlen; die »ehemalige Prinzeß Charlotte« ließ sich so gern alte Berliner Geschichten erzählen. Einige Tunnelianer spöttelten darüber. Schneider zuckte die Achseln und sagte: »Ja, Kinder, in gewissem Sinne bin ich der richtige Byzantiner. Ich leugne nämlich nicht, daß, wenn es sich um Teeabende handelt und ich dabei die Wahl zwischen Frau Salzinspektor Krüger und der Kaiserin von Rußland habe, so bin ich immer für die Kaiserin von Rußland.« An Bonsens war Schneider all seinen Gegnern jederzeit sehr überlegen.
    Es konnte nicht ausbleiben, daß es bei den Teeabenden – auch bei den »königlichen«, die fast einen dienstlichen Charakter hatten – nicht immer ganz glatt ablief. Eines Tages erschien Schneider wieder mal in seiner Vorlesereigenschaft oben auf Sanssouci und sah sich im Vorzimmer ohne viel Entschuldigung benachrichtigt, »daß es heute nichts sei«, weil eine der Königin empfohlene vornehme Dame verschiedene Gesangspiecen vortragen werde. Schneider verbeugte sich, nahm seine Vorlesermappe ruhig wieder unter den Arm und verschwand. Aus dieser

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