Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
dieser Louis Schneider, dieser sogenannte Edelmutsmensch, aus allen Königs- und Prinzenkassen für dich herausgeschüttelt hat, so kommt noch keine Jahresmiete heraus, trotzdem du, Gott weiß es, billig genug wohnst.« In diesem Tone klang das Lied, das Franz Duncker, Widmann, Orelli nicht müde wurden zu singen, und ein Stückchen Wahrheit war ja drin. Aber die, die so redeten, waren auch nicht anders, und was sie samt und sonders mit so viel Spott und Bitterkeit gegen Schneider auftreten ließ, das war alles nur politische Gegnerschaft, Parteihaß. Man haßte den »an Rußland verkauften« Schneider und wollte, was in einem gewissen Zusammenhange damit stand, im Publikum den Gedanken nicht aufkommen lassen, daß Scherenberg ein patriotischer Dichter sei; Scherenberg sollte vielmehr, nach dem Willen vorgenannter Herren, durchaus ein Volksdichter sein, ein 1813-Verherrlicher, wo das Volk und die Landwehr alles gemacht hätten. »Das stünde auch klar auf jeder Seite seiner Dichtungen, wenn man sie nur richtig läse; die Reaktion treibe bloß Mißbrauch mit ihm, und man müsse ihn retten vor dieser Vergewaltigung.« In der Tat, es war ein beständiges Hin- und Herzerren mit unserem Tunnel-Dichter; heute hatten ihn die Patrioten, morgen hatten ihn die Fortschrittler. Der arme Scherenberg! Er war in derselben Verlegenheit wie der Pfalz- und Rheingraf in Bürgers »Wildem Jäger« und wußte nicht, ob er sich nach links oder nach rechts hin halten sollte. Mit der ganzen Geschicklichkeit eines Pommern und Balten hat er sich aber schließlich immer geschickt durchgewunden und ist als Freund »von links und rechts« gestorben, ohne je der Zweideutigkeit bezichtigt worden zu sein. Der Glückliche!
Schneider, während im Tunnel, in » seinem Tunnel «, dieser Aufruhr tobte, saß all die Zeit über ruhig in seinem Potsdamer Heim und lächelte, wenn er von dem Sturm im Glase Wasser hörte. Was aber das Beste war, er ließ diesen Abfall von ihm niemand im Tunnel entgelten und zeigte sich, was immer aufs neue gesagt werden muß, auch darin wieder uns allen überlegen, vor allem auch überlegen in Gesinnung. Wirklich, er gehörte zu den bestverketzerten Personen, die mir in meinem Leben vorgekommen sind. Ich habe ihn ziemlich gut gekannt, fünfzehn Jahre lang in unserem Verein und dann zehn Jahre lang auf der Kreuzzeitung, wo ich ihn allwöchentlich wenigstens einmal sah; aber ich kann nicht sagen, daß ich ihn je auf einem faulen Pferde ertappt hätte. Im Gegenteil, er war ehrlicher und konsequenter als seine soi-disant »Freunde«, die sich ziemlich unberechtigt über ihn erhoben. Überhaupt konnte man im Tunnel, wie überall in der Welt, die Mißlichkeit des landläufigen Urteils studieren. Wie mit Blindheit geschlagen waren oft die Klügsten; höchst fragwürdige Charaktere wurden gefeiert, während viel Tüchtigere sich mit Soupçon behandelt sahn. Es ist unglaublich, wie leicht selbst Scharfsichtige von Fach, zum Beispiel Kriminalisten und Weltweise, durch Manieren und gefälliges Komödienspiel bestochen werden können. Im ganzen genommen existiert bei den Menschen eine so hochgradige Unfähigkeit, den Seelen anderer auf den Grund zu sehen, daß sich dies Hochgradige nur aus einer gewissen Unlust, »sich auf irgendwie ernste Untersuchungen einzulassen«, erklären läßt. Die meisten nehmen, solange sich’s einigermaßen mit ihrem Vorteil verträgt, alles so, wie’s bequem zugänglich obenauf liegt. Genauso war es mit dem Tunnel-Urteil über Schneider. Ich glaube nicht, daß jemand da war, der sich ernstlich mit seiner Wertfrage beschäftigt hätte. Man redete darauf los, von Voreingenommenheiten ausgehend. Es soll nicht geleugnet werden, Schneider war ein ungeheurer Faiseur, immer mußte was »gemacht«, versammelt, zusammengetrommelt werden. Wer ihn gekannt, weiß das. Es gab damals ein Lustspiel »Er mengt sich in alles«, dessen komische Hauptfigur den Namen Mengler führte. Solch Mengler war er. Aber wenn dies auch gelegentlich störend wirkte, soviel bleibt: er war ein wohlmeinender Mann, und alle Verketzerung, der er immer wieder und wieder begegnete, lief darauf hinaus, »daß er das Heil Preußens ausschließlich in einem innigen Bündnis mit Rußland erkenne«. Sein Leben, wenn wir Frankreich statt Rußland setzen, erinnert an das Lombards. Lombard war klüger, Schneider ehrlicher und überzeugter.
In einer Schrift, die den Titel führt » Berlin und Petersburg «, finde ich das Folgende:
»… Louis
Weitere Kostenlose Bücher