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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Krankheit und vielleicht am meisten da, wo sich seine Stellung zu dem, was man Poesie nennt, bekunden sollte. Jederzeit, innerhalb wie außerhalb des Tunnels, ist es ihm zum Verdienst angerechnet worden, Scherenberg entdeckt und den armen Poeten auf sein Glück und seine Höhe gehoben zu haben. Das ist auch wahr. Aber daß er diese spezielle Dichterschwärmerei sich leisten konnte, hing nicht mit seinen literarischen Tugenden, sondern umgekehrt mit seinen schweren literarischen Mankos zusammen. Schneider, weil er eines feineren Kunstgefühls total entbehrte, war in der Lage, sich an gewagtesten Bildern und alt-blücherschen Schlagwörtern beständig berauschen zu können. Was er denn auch redlich tat. Er erging sich, plätschernd und prustend, in den die Scherenbergsche Dichtung reichlich begleitenden Fragwürdigkeiten. Was wirklich bedeutend an Scherenberg war, davon ist ihm schwerlich viel zum Bewußtsein gekommen.
     
    Ich persönlich habe sehr viel von Schneider gehabt, obschon er mir mehr oder weniger unsympathisch, seine Politik – trotzdem ich sie vorstehend verteidigt – im wesentlichen contre coeur und seine Kunst geradezu schrecklich war.
    Daß ich mich ihm demohnerachtet so sehr zu Dank verpflichtet fühle, liegt in zwei Dingen: erstens darin, daß wir dasselbe Feld, Mark Brandenburg, kultivierten, und zweitens darin, daß er ein Sentenzen- und Sprichwortsmann war, ein Mann nicht der zitierten, wohl aber der selbstgeschaffenen »geflügelten Worte«. Diese Worte, wie sein ganzes Wesen, waren immer prosaisch und gemeinplätzig, aber vielleicht wirkten sie gerade dadurch so stark auf mich. Feine Sachen amüsieren mehr; ein Hieb aber, der so recht sitzen soll, muß etwas grob sein. Er war das verkörperte elfte Gebot: »Laß dich nicht verblüffen«, und seine Berliner Weltweisheit, seine burleske, mitunter stark ins Zynische gehende Unverfrorenheit hat mich oft erquickt, auch gefördert.
    In der Zeit, wo ich meine »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« zu schreiben anfing, seh ich ihn oft, um Ratschläge von ihm entgegenzunehmen. Namentlich bei dem Bande, der das »Havelland« behandelt, ist er mir sehr von Nutzen gewesen.
    Er wohnte damals, wenn mir recht ist, am »Kanal«, in einem echten alten Potsdamer Hause, das noch ganz den Stempel Friedrich Wilhelms I. trug. Er hatte sich alles sehr wohnlich zurechtgemacht, und sein Arbeitszimmer, das bei großer Tiefe nach hintenzu jede Lichtabstufung zeigte, konnte als ein Ideal in seiner Art gelten. In allem etwas prinzipienreitrig, war er denn auch unentwegt der Mann des Stehpults geblieben, also einer Stellage von gut berechneter Höhe, darauf er alles zur Hand hatte, was er brauchte, besonders auch ein Glas mit kaltem russischem Tee. So fand ich ihn regelmäßig vor, in Nähe des Pults ein langer Tisch, darauf zahllose Zeitungen teils aufgetürmt, teils ausgebreitet lagen. Er empfing mich immer gleich liebenswürdig, spielte nie den Gestörten oder wohl gar den »in seinen Gedanken Unterbrochenen« und gab mir Aufschluß über das Mannigfaltigste, besonders über Reiserouten, wobei er’s nur in dem einem versah, daß er mich immer dahin dirigieren wollte, wo vorher noch niemand gewesen war. Dies Auf-Entdeckungen-Ausziehn hätte ja nun sehr gut und für mich sehr verführerisch sein können; aber er hatte dabei nur den Sinn für eine herzustellende möglichste Vollständigkeit des Materials – wie das Material schließlich ausfiel, war ihm gleichgültig, mir aber keineswegs. Er ging durchaus nicht dem Interessanten oder Poetischen nach, und deshalb konnte ich von seinen Direktiven nur sehr selten Gebrauch machen. Er war noch aus jener merkwürdigen märkischhistorischen Schule, der die Feststellung einer »Kietzer Fischereigerechtigkeit« die Hauptsache bleibt. Wenn wir dann so eine kleine halbe Stunde geplaudert hatten – eine Aufforderung zum Bleiben erging nie –, erschien Frau Geheime Hofrätin Schneider aus ihrer an der andern Flurseite gelegenen Kemnate, um durch ihren Eintritt sowohl dem Gaste wie auch ihrem Ehemann anzudeuten, »es sei nun genug«. Sie war immer sehr sorglich gekleidet, von einer ausreichenden, aber doch sehr reservierten Artigkeit, und trug Allüren zur Schau, wie man sie jetzt kaum noch findet und die, vielleicht um ebendieses Hingeschwundenen willen, den Reiz eines kulturbildlichen Interesses für mich gewahrt haben. Nach Abstammung und Naturanlage war Frau Geheime Hofrätin Schneider lediglich dazu bestimmt, der Typus

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