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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Es spielte keine Rolle, dass der Becher eine Fälschung war. Das war mein Vater auch.
    Wir scheuchten Barzanes zurück zum Zeustempel. Um gerecht zu sein, unser Führer kannte sich wirklich mit Statistiken aus: »Der Tempel wurde von den Eliern finanziert, und die Bauzeit betrug zehn Jahre. Er hat vierunddreißig Säulen, bedeckt mit schlichten quadratischen Pedimenten. Über den Säulen sehen Sie einen gemalten Fries mit unzähligen Stuckaturen in tiefen Rot-, Blau- und Goldtönen …« Er war nicht zu bremsen. »Das Dach besteht aus pentelischem Marmor aus Attika mit über hundert Löwenkopfwasserspeiern, ebenfalls aus Marmor. Die einundzwanzig goldenen Schilde, die Sie jetzt sehen, gab es in der Antike nicht. Sie wurden erst von dem römischen General Mummius aufgestellt, nachdem er Korinth gebrandschatzt hatte …«
    O je. Wir bemühten uns, unschuldig zu wirken, fühlten uns aber wie üble Eroberer.
    »Hier auf dem westlichen Giebelfeld ist der Kampf der Kentauren gegen die Lapithen während der Hochzeit von Peirithoos dargestellt …«
    »Hieraus sind zwei Lehren zu ziehen«, sagte ich zu Gaius und Cornelius. »Lade keine Barbaren zu deiner Hochzeit ein, und – da sich die Kentauren betranken und sich über die Frauen hermachen wollten – kredenze nicht zu viel Wein.«
    Barzanes ließ sich nicht beirren. »Auf dem Ostgiebel schauen die Athleten, die dem Gott ihre Opfer darbringen wollen, auf das Wagenrennen zwischen Pelops und Oinomaos um die Hand von Hippodameia. König Oinomaos tötete die erfolglosen Freier und nagelte ihre Köpfe über sein Palasttor.«
    »Kommt mir gerecht vor«, sagte ich. »Als Vater gesprochen.«
    »Dazu gibt es zwei Geschichten …« Die Griechen scheinen nie nur einen Mythos zu haben, wenn ein Fremdenführer auch zwei erzählen kann. »Entweder bestach Pelops den Wagenlenker des Königs, dessen Radpflöcke durch Wachspfropfen zu ersetzen, oder Poseidon schenkte Pelops einen einzigartigen geflügelten Streitwagen und sorgte dafür, das Oinomaos umkippte und getötet wurde.«
    »Soll dieser Mythos die Wettkämpfer dazu ermutigen, Tricks zu benutzen und zu schummeln?«, fragte Helena trocken.
    »Die wahre Botschaft lautet, dass sie ihr Bestes geben sollen – sowohl an Gerissenheit als auch an Körperkraft.«
    »Und Gewinnen ist alles«, grummelte Helena.
    »Bei den Spielen gibt es keine zweiten Preise«, räumte Barzanes ein.
    »Sie nehmen meine Skepsis sehr großmütig hin.«
    »Ich habe schon früher römischen Damen als Fremdenführer gedient.«
    Helena und ich wechselten einen Blick und fragten uns, ob er von Sieben-Stätten-Reisen engagiert worden war.
     
    Im Gegensatz zu vielen Tempeln war es Besuchern erlaubt, diesen zu betreten. Natürlich nicht umsonst. Wir gaben Barzanes die Summe, die er vorschlug, um die Priester zu bestechen. Dann rückten wir noch mit einem Zusatzeintrittsgeld heraus, damit Albia und die Jungs die »besondere« Erlaubnis bekamen, eine Wendeltreppe hinaufzusteigen und die Statue von nahem zu bewundern. Schließlich gaben wir Barzanes ein großzügiges Trinkgeld für seine Fakten und Zahlen. Er blieb auf den Tempelstufen stehen, in der Hoffnung, sich weitere Touristen zu kaschen.
    Ich wollte ihn zu den Morden befragen, aber keine Mission konnte mich davon abhalten, eines der sieben Weltwunder zu betrachten, vor allem nicht zusammen mit Helena. Privatschnüffler sind Straßenköter, die im Dreck wühlen, doch ich besaß eine Seele. Was ich persönlich bei diesem Beruf für notwendig erachtete.
     
    IX
    Wir hielten alle inne, um unsere Augen nach der mittäglichen Helle an das dämmrige Lampenlicht im Innern des Tempels zu gewöhnen. Dann blieb uns vor staunender Ehrfurcht der Mund offen. Genau wie es der große Pheidias beabsichtigt hatte.
    Es gab noch andere Statuen. Das Tempelinnere war die reinste Kunstgalerie. Die Kunstwerke waren verschwendet. Wir konnten nur Zeus anstarren, vollkommen ergriffen. Über vier Ruten hoch, den Kopf fast an den Dachsparren, schien er auf uns niederzuschauen. Vor den Stufen zu seinem Thron erstreckte sich ein schimmerndes Becken, ein Rechteck aus Olivenöl, in dem sich der Vater der Götter verschwommen spiegelte. Die Feuchtigkeit half, das Elfenbein des Chryselephantin-Kolosses instand zu halten, auch wenn die Tempelpriester ihn täglich mit weiterem Öl polierten. Wir waren uns ihrer Anwesenheit bewusst. Sie hielten sich diskret im Hintergrund, kümmerten sich um ihren Schützling und stammten angeblich alle in

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