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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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uns genussvoll mitteilte, dass er außerhalb der Saison kein Frühstück serviere. Zum Glück kamen die Jungs von einem Spaziergang zurück und brachten Gebäck mit. Wir breiteten uns in einem der äußeren Säulengänge aus, und während wir aßen, berichtete der Pförtner, der ein paar zusätzlichen Drachmen nicht widerstehen konnte, dass seine Schwester uns Abendessen kochen würde. Wir dankten ihm und übergaben ihm die Verantwortung für unser Gepäck. Helena fragte ihn, ob er ihren Bruder Aulus gesehen habe, doch er verneinte. Wir machten uns auf die Socken.
     
    Genau wie unsere germanischen Freunde hatte uns der Pförtner mit Geschichten ergötzt, wie es während der Spiele rund um unser friedliches Gästehaus zuging. Wochenlang wurde Olympia zu einem Feldlager. Außerhalb der Sportstätten und Heiligtümer breiteten sich überall Zelte aus; wurden sie nach dem Ende der Spiele abgebaut, war der Boden mit einer dicken Schicht Abfall und menschlichen Hinterlassenschaften bedeckt. Laut dem Pförtner konnten sie durchaus mit dem Mist der Kühe des Königs Augias konkurrieren, den Herakles in der Sage hatte säubern müssen.
    Es gab keine natürliche Wasserquelle und hatte auch keine Latrinen gegeben, bis wir Römer kamen. Bis auf die Altis, wie sie den ummauerten heiligen Bezirk nannten, hing überall der Gestank menschlicher Exkremente in der Luft. Die Fliegen, von denen die Zuschauer geplagt wurden, schwebten in betäubten Wolken über dem Abfall.
    Die Anwohner räumten alle vier Jahre für die nächsten Spiele auf. Vielleicht waren wir zu pingelig, aber ein Jahr im Voraus wirkte alles noch völlig chaotisch. Selbst meine Hündin scheute davor zurück, in alten Matratzen, abgekauten Knochen und zerbrochenen Amphoren herumzuwühlen. Nux vergötterte alles, was die Straßen von Rom einem Hund mit erlesenem Geschmack zu bieten hatten. Hier schnüffelte sie nur einmal kurz und zog schockiert den Schwanz ein. Ich tätschelte sie und nahm sie an die Leine. Das Letzte, was uns im Ausland wünschenswert schien, war ein Hund mit einem verdorbenen Magen. Wir würden Nux vielleicht brauchen, damit sie um Hilfe bellte, falls
wir
uns den Magen verdorben hatten. Was nicht ausbleiben konnte.
    Nördlich von unserer Herberge wurde es besser. Nervös wegen der Anti-Frauen-Regeln, hatten Helena und Albia eine Geschichte über den Besuch des Tempels der Hera vorbereitet, wo Frauen zugelassen sein mussten, da es Wettläufe für Mädchen gab. Allerdings wies niemand sie jemals ab. Der ganze Ort war jedoch dem männlichen Körper geweiht. Wohin wir auch gingen, bewegten wir uns im Schatten von Statuen, Hunderten davon, manche von Städten als Dankopfer für Kriegsglück gestiftet, aber die meisten von den Siegern selbst als dauerhafte Erinnerung an ihre Leistungen. Nicht gerade für Prüde geeignet. Nackte Athleten auf hohen Plinthen zeigten ihre steinerne Manneszier, wohin man auch schaute.
    Wir verbrachten den Morgen mit Besichtigungen. Der junge Glaucus führte uns instinktiv zum Gymnasion. Er war ekstatisch. Obwohl er ganz versessen darauf war, die sportlichen Einrichtungen auszuprobieren, kam er mit uns zum Heiligen Hain.
    Innerhalb des ummauerten Gebietes ragte der dramatische, baumbedeckte Kronoshügel über uns auf, wo Marcella Caesias Leiche von ihrem Vater gefunden worden war. Neben dem Gymnasion stand das Prytaneion, ein Gebäude, in dem bei Siegesfeiern legendäre Festmahle abgehalten wurden. Nicht weit davon befand sich der fröhlich bemalte Tempel der Hera, das älteste Gebäude des Komplexes. Er hatte drei lange Gänge, jeder angefüllt mit erstaunlicher Bildhauerkunst, einschließlich des berühmten Hermes mit dem Dionysos-Knaben. Glaucus betrachtete ehrfürchtig den Tisch aus Gold und Elfenbein, der während der Spiele in die Umfriedung der Kampfrichter getragen wurde. Darauf wurden die schlichten Siegeskränze aus wilden Oliven ausgelegt, die einzigen Preise, die hier verliehen wurden. Natürlich wurden Olympiagewinner daheim mit Massenverherrlichung empfangen, dazu einer Rente, die aus riesigen Fässern Olivenöl, Villen am Meer und der lebenslangen Erlaubnis bestand, die Bevölkerung mit Sportgeschichten zu langweilen … Glaucus träumte bereits.
    Draußen auf dem Gelände standen viele Altäre, manche mit Rauchwölkchen von den morgendlichen Opferungen. Einer war phänomenal – der große Altar des Zeus. Über einem uralten Steinsockel erhob sich ein merkwürdiger rechteckiger Hügel, vielleicht zwanzig Fuß

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