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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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versuche mir vorzustellen, wie das sein kann.« Zu Beginn war meine Stimme ruhig, aber gewichtig. »Reisende kommen hierher, genau wie wir. Wie wir müssen sie alle von dem Erlebnis überwältigt sein. Dies ist ein Ort, an dem sich die Menschheit von ihrer besten Seite zeigt – edel im Körper, verbunden mit edler Gesinnung.« Barzanes wollte mich unterbrechen, hielt sich aber zurück. »Athleten und Zuschauer versammeln sich hier zu einem religiösen Ritual. Um ihre Götter zu ehren. Sich hohen Idealen zu widmen. Weihgaben werden in den Olivenhainen hinterlassen. Schwüre werden geleistet. Training, Mut und Können erhalten Beifall. Fremdenführer übertragen diese Atmosphäre auf die Reisenden …« Meine Stimme verhärtete sich. Ich wollte der Oberschicht hier eine Botschaft senden. »Und dann – stellen wir uns das einfach mal vor, Barzanes – zeigt jemand an diesem heiligen Ort seine barbarische Natur. Eine junge Braut, kaum zwei Monate verheiratet, wird ermordet und einfach liegen gelassen. Sagen Sie mir, Barzanes, sind solche Dinge zu begreifen? Sind sie üblich? Nehmen die Götter in Olympia dieses grausame Verhalten hin – oder sind sie zornig?«
    Barzanes hob seine schiefen Schultern. Er blieb stumm, aber er hatte herumgetrödelt, um mit mir zu sprechen, und das musste einen Grund haben. Vielleicht hatten die Priester beschlossen, dass die Sache endlich aufgeklärt werden sollte.
    Ich war nicht so vermessen, darauf zu hoffen.
    »Die fragliche Gruppe wurde von einem Reiseveranstalter namens Sieben Stätten hergebracht. Touristen auf einer Rundreise. Geleitet wird sie von einem Burschen namens Phineus.«
    Endlich nickte Barzanes. »Jeder hier kennt Phineus.« Ich blickte ihn an, konnte ihm aber seine Meinung zu dem Mann nicht ansehen.
    »Sie müssen auch durch das Heiligtum geführt worden sein«, sagte ich. »Das gehörte zu ihrem Rundreisepaket, da sie in diesem Jahr bestimmt nicht wegen der Spiele hier waren. Phineus muss einen örtlichen Fremdenführer gebucht haben. Waren Sie das, Barzanes?«
    Barzanes kam mir mit der üblichen Ausrede, die ich schon bei so vielen Fällen gehört hatte: »Der Führer, der diese Tour übernahm, ist nicht mehr hier.«
    Ich schnaubte. »Abgehauen?«
    Barzanes blickte schockiert. »Er ist nach dem Ende der Saison in sein Dorf zurückgekehrt.«
    »Wobei es sich um ein sehr abgelegenes, sehr weit entferntes Dorf handelt, schätze ich … Hat er über diese Gruppe am Ende des Tages gesprochen, wenn ihr Fremdenführer zusammensitzt und Klatsch austauscht? Wenn nicht, hat er Bemerkungen über sie gemacht, nachdem das Mädchen tot war?«
    Barzanes lächelte freundlich.
    Helena Justina kam mit einer Schriftrolle in der Hand aus dem Tempel. Nach einem raschen Blick auf das, was sich hier tat, stellte sie sich in Hörweite, während sie vorgab, sich in den Brief zu vertiefen.
    Ich gab noch nicht auf. »Erzählen Sie mir, was passiert ist, Barzanes.«
    »Pilger kommen ständig hierher. Übungen, Opferungen, Gebete, Orakelbefragungen – selbst außerhalb der Saison halten wir Rezitationen von Rednern und Dichtern ab. Daher werden regelmäßig Führungen durch die Altis angeboten.«
    »Aber jeder Führer würde sich an eine Führung erinnern, an der jemand teilnahm, der später brutal ermordet wurde. Aus wie vielen Teilnehmern bestand die Sieben-Stätten-Gruppe?«
    Barzanes beschloss zu kooperieren. »Zwischen zehn und fünfzehn. Die übliche Mischung, hauptsächlich ältere Leute mit ein paar jungen dazwischen – Jugendliche, die in der Gegend herumstreiften. Eine der Frauen stellte dämliche Fragen, die von einem Mann aus der Gruppe falsch beantwortet wurden.«
    »Klingt typisch!« Ich lächelte.
    Barzanes nickte bestätigend. »Leider. Später konnte sich der Führer nicht mal an die Braut und ihren Mann erinnern. Sie hatten keinen Eindruck hinterlassen.«
    »Sie hörten also nur schweigend zu, überwältigt von der Unvertrautheit des Reisens … Oder waren sie geschlaucht durch die Turnübungen im Ehebett?« Ich grinste. Barzanes blickte auf den Pfad.
    »Sie schliefen in Zelten, Marcus!«, mischte sich Helena ein. »Barzanes, würde eine Gruppe wie die von Sieben Stätten nicht im Leonidaion übernachten?«
    »Falls dort keine hochrangigen Persönlichkeiten untergebracht waren, wäre das erlaubt gewesen. Aber nur, wenn sie bezahlten. Sonst würde der Reiseveranstalter Zelte mitbringen oder welche mieten. Viel billiger. Phineus würde sich damit auskennen. Wenn geplant

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