Delphi sehen und sterben
hoch, als wir ihn sahen. Während der Spiele wurden jedes Mal hundert Ochsen für Zeus geschlachtet, ein Geschenk der Einwohner von Elis, die das Fest organisierten. Über die Jahrhunderte war die Asche der Opferungen mit dem Wasser des Flusses Alphaios vermischt worden, hatte sich zu einer harten Paste verfestigt und war dem Hügel hinzugefügt worden. Stufen waren ausgehauen worden und führten auf den Altar hinauf, wo für den Gott die saftigsten Stücke verbrannt wurden.
Als wir uns dem Stadion näherten, sahen wir eine Reihe abweisender Zeusstatuen, genannt Zanes, aufgestellt, um für immer Athleten zu verdammen, die beim Mogeln erwischt worden waren; ihre Namen und Vergehen waren in den Sockel eingemeißelt. Dahinter lag eine lange Kolonnade für den Wettbewerb der Herolde. Sie hatte ein siebenfaches Echo, das Albia und die Jungs voll ausprobierten. An dieser Ecke der Einfriedung markierte ein Bogen den unterirdischen Gang der Wettkämpfer zur Laufbahn. Die Bronzegitter waren geschlossen, aber nach einem steilen Auf- und Abstieg über die Zuschauertribünen fanden wir eine Möglichkeit, ins Stadion zu klettern.
Der junge Glaucus untersuchte die seltsamen steinernen Schwellen. »Man biegt seine Zehen in diese parallelen Einkerbungen und wartet auf das Signal. Es gibt eine mit Halteseilen fixierte Leiste, um Fehlstarts zu vermeiden. Wenn ein Läufer zu früh losläuft, bevor die Kampfrichter die Seile lösen, reißt er die Leiste runter. Er darf nicht mehr antreten, und die Kampfrichter bestrafen ihn mit Stockschlägen wie einen Sklaven. Viele Fehlstarts gibt es nicht«, verkündete Glaucus.
Das Hippodrom lag neben dem Stadion. Dort erklärte uns Glaucus die Startgatter, an denen sich bis zu vierzig Streitwagen in Keilform aufstellen mussten, um den äußeren Paaren die gleichen Chancen wie den inneren zu geben. Wir stellten uns vor, wie sie zum Gebrüll der vierzigtausend Zuschauer losrasten, die auf sorgsam konzipierten elliptischen Wällen standen. Jeder hatte einen guten Blick auf die Rennstrecke – obwohl wir mit höhnischem Grinsen bemerkten, dass das Hippodrom kleiner war als der Circus Maximus.
Als wir wieder draußen waren, verschwendeten wir Zeit damit, vergeblich Einlass in die riesige Villa zu finden, die Nero für sich an den Toren des Hippodroms erbaut hatte. Die Behörden hatten die Villa verriegelt und hofften, sie würde in sich zusammenfallen. Glaucus ging zum Gymnasion zurück, um zu trainieren. Wir anderen schlenderten durch das Hauptheiligtum und erreichten den berühmten Zeustempel. Dieser beherbergte eines der sieben Weltwunder, und so war es keine Überraschung, dass wir, obwohl wir bisher nicht mehr als zehn Besucher gesehen hatten, plötzlich einem offiziellen Fremdenführer gegenüberstanden.
»Sprechen Sie Griechisch – oh, Sie sprechen Latein?« Er wechselte rasch ins Lateinische, wenngleich wir keinen Ton gesagt hatten. »Wo kommen Sie her? Kroton? Rom? Mein Bruder lebt in Tarentum.« Ach du je. »Xenophons Fischrestaurant. Kennen Sie es?«
Unser Führer hieß Barzanes. Sollten Sie nach Olympia reisen, sehen Sie zu, dass Sie einen anderen erwischen.
»Als Erstes werde ich Ihnen die Werkstatt des Pheidias zeigen.«
Die hatten wir uns schon allein angeschaut. Das hielt ihn nicht davon ab.
Als wir zum zweiten Mal in der riesigen Werkstatt standen und mit Fakten überhäuft wurden, war Helena die Einzige, die bereit war, zivilisiert mit dem Fremdenführer umzugehen. Er war hochgewachsen, hatte einen kleinen Kopf und schiefe Schultern, eine breiter als die andere. Er trug ein langes gegürtetes Gewand wie ein Wagenlenker und einen Stab, mit dem er begeistert gestikulierte.
Ja, es war unglaublich, an einem Ort zu stehen, wo einer der größten Künstler der Welt sein Meisterstück geschaffen hatte. Um das zu beweisen, wurden uns übrig gebliebene Gussformen, fehlerhafte Abgüsse und winzig kleine Bruchstücke von Marmor, Goldblatt und Elfenbein gezeigt. Komischerweise waren sie zu verkaufen. Diese Scharade für die Öffentlichkeit musste wohl schon seit fünfhundert Jahren laufen. Beim Ertönen von Barzanes’ Stimme waren aus dem Nichts Andenkenhändler aufgetaucht. Uns wurde ein geschwärzter Becher angeboten, auf den Ich gehöre Phidias eingekratzt war. Der Preis war exorbitant, doch ich kaufte ihn, obwohl der Name des Bildhauers in römischer Schreibweise darauf stand. Sonst wären wir die Händler nie losgeworden. Ich würde ihn meinem Vater als Andenken mitbringen.
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